Jana Schneider strahlt vor Glück. Ihr erst 18 Monate alter Sohn Antony lebt. Prof. Axel Haverich spricht von einem schwierigen Eingriff.
Der Mediziner hatte vor zehn Wochen dem kleinen Jungen Herz und Lungen transplantieren müssen.
Nach Auskunft der Medizinischen Hochschule war dies eine Pioniertat. Ohnehin würden Organverpflanzungen an Kleinkindern höchst selten praktiziert, europaweit habe noch nie ein so junger Mensch eine derart komplizierte Operation und die Folgezeit auf der Intensivstation überlebt. Antonys Gesundheitszustand indes sei heute stabil, vermutlich schon in der nächsten Woche geht es wieder heim nach Sachsen mit einem Minitrikot des Fussballbundesligisten Hannover 96 im Gepäck. Alle Spieler hatten es zuvor unterzeichnet, der älteste Profi, Aussenverteidiger Michael Tarnat, überreichte es Mutter und Kind gestern in der Klinik. Wir fühlen einfach nur mit. Unser Torwart Robert Enke hat eine ähnlich schwierige Phase mit seiner kleinen Tochter hinter sich, und auch ihr wurde hier geholfen, sagte Tarnat.
Vor vier Monaten begann das Drama um Antony Schneider. Der jüngste Sohn der allein erziehenden Mutter Jana Schneider hatte immer häufiger Atembeschwerden, rang öfter mal nach Luft und hatte vereinzelt Schaum vor dem Mund. Sie befürchtete so etwas wie Pseudokrupp, nach einigen ärztlichen Stationen folgte schliesslich eine andere erschütternde Diagnose in der Uni-Klinik Jena: schwerer Lungenhochdruck. Nur mit einer rechtzeitigen Transplantation von Herz und Lunge würde Antony überleben können. Letzte Hoffnung: die Klinik für Herzchirurgie an der MHH.
Die schwierigste Frage sei zweifellos gewesen, woher man die Ersatzorgane für einen damals 17 Monate alten Jungen bekommen sollte, sagt Haverich, der bisher mehr als 500 Herzen verpflanzt hat, aber niemals ein so junges. Die Frage, inwieweit man eine Verpflanzung zweier Organe an einem Kleinkind vornehmen sollte, stellte sich jedoch nicht. Es war schlicht lebensnotwendig. Ende Juni kam dann die gute Nachricht, dass passende Organe in Deutschland gefunden waren. In einer sechsstündigen Operation von halb eins nachts bis halb sieben morgens setzte Haverich dem kleinen Antony ein neues Herz und eine neue Lunge ein. Alles ging gut.
Doch dann begann eine bange Zeit für das Kind und die 29-jährige Mutter. Nimmt der kleine Körper die fremden Organe an? Wie wirken die immununterdrückenden Medikamente? Mit jedem Tag ohne Komplikationen wuchs die Hoffnung. Nach Auskunft des Kinderarztes Manfred Ballmann, der Antony seit der Operation betreut, sind alle wichtigen Körperfunktionen normal, gravierende Beeinträchtigungen müsse der Kleine nicht befürchten. Antony zeige sich nahezu beschwerdefrei: Er ist freundlich, zugewandt, aktiv.
Und doch wird der kleine Junge nicht ganz unbeschwert weiterleben können. Er wird unter strengerer ärztlicher Beobachtung stehen als seine Altersgenossen. Neben dem Hausarzt werden sich auch die Uni-Klinik Jena und die MHH regelmässig um Antonys Entwicklung kümmern. Er wird auch damit leben müssen, dass das Risiko einer Infektion bei ihm grösser sein wird als bei anderen. Und noch etwas kommt möglicherweise in zwölf bis 15 Jahren auf ihn zu, wenn die Funktion des kleinen Ersatzherzens eventuell nachlässt. Eine zweite Herzverpflanzung ist real, sagt Ballmann.
Vorher aber darf Antony ziemlich normal aufwachen, mit seinen Geschwistern Christian und Vanessa spielen, Krippe, Kindergarten und später die Schule besuchen. Und, so Haverich, wenn alles normal verläuft, wird Antony nicht nur ein Fussballtrikot tragen, sondern irgendwann auch Fussball spielen.
[@uelle:Hannoversche Allgemeine Zeitung / Achim Balkhoff]