Iris Hamm-Freiburger (pulmonale Endarteriektomie)

Informationen zu meiner Person

Iris
Iris Hamm-Freiburger
Karlsfeld / München
Tel.: +49 (0)8131-26802
E-Mail: phbericht@mnet-online.de

CTEPH – Diagnose am 17.10.2003

Nachfolgend der von meinem Ehemann verfasste Erfahrungsbericht zu meiner PH und der pulmonalen Endarteriektomie. Mit Medizin hatten wir vor meiner Krankheit wenig zu tun.

Den vorliegenden Bericht stellen wir für die Internetseiten www.lungenhochdruck.ch zur Verfügung. Wir hoffen, uns mit diesem Bericht etwas revanchieren und anderen helfen zu können. Die namentlich genannten Personen sind mit ihrer Nennung einverstanden.

Diagnose: Chronisch Thromboembolische Pulmonale Hypertonie (in der Literatur CTEPH oder CTPH, entsprechend dem englischen Begriff chronic thromboembolic pulmonary hypertension). Das ist eine sekundäre pulmonale Hypertonie auf der Basis rezidivierender d.h. wiederkehrender Lungenembolien.

Erste Anzeichen

Die ersten Anzeichen dessen, was sich später als PH herausstellen sollte, zeigten sich im Jahr 2000. Bei einer Bergwanderung im September schaffte meine Frau nur unter grösster Anstrengung eine Höhendifferenz von etwa 400 Meter, während das Mitte Juni noch mühelos ging. Die Wanderung mussten wir vorzeitig beenden. Wir konnten den Vorfall nicht zuordnen. Erstes Fazit: das liegt wohl an der Konditionen, man sollte öfter Sport machen.

Erste Arztbesuche

Nachdem wir die Belastungsdyspnoe erst einmal registriert hatten, fiel sie auch immer öfter und deutlicher auf. Wir suchten wir im Laufe des Jahres 2001 an unserem damaligen Wohnort im Raum München einen Kardiologen auf. Dieser machte u.a. mit Hilfe von Kollegen verschiedenste Untersuchungen. Diagnose bereits im Juni 2001: Verdacht auf rezidivierende Lungenembolien. Der Pulmonaldruck (PAP=pulmonal arterial pressure) lag bei 40mmHg systolisch (in der Druckphase des Herzens) in Ruhe. Anhand der zahlreichen vorliegenden Berichte, die auch andere Krankheiten ausschlossen, war damals bereits der unmittelbare Schluss auf eine PH möglich, was aber nicht geschah. Meine Frau bekam ein Jahr lang Marcumar, der Zustand stabilisierte sich. Aber auch danach wurde die Diagnose PH noch nicht festgestellt. Im Gegenteil: der Kardiologe entschied Mitte 2002 verheerenderweise das Absetzen von Marcumar. Selbst die von meiner Frau offen ausgesprochene Angst vor einer PH hat er schlicht ignoriert.

Was tun?

In der Folge, von Mitte 2002 bis Mitte 2003 verschlechterte sich der Zustand meiner Frau zusehends. Wir hingen nach wie vor an der Konditionsthese mangels konkreter Befunde ausser den scheinbar vernachlässigbaren Embolien. Meine Frau versuchte, durch Sport gegenzusteuern und schwamm noch im Sommer 2003 immer wieder ihre 1000 Meter. Eines Tages allerdings kam sie vom Schwimmbad zurück mit der Feststellung: es geht nicht mehr. Die Belastungsdyspnoe beschleunigte sich. Die Vorkommnisse konnten wir immer noch nicht einsortieren, spürten aber ganz deutlich, dass etwas schief gelaufen war und wir Zeit verloren hatten. Wir beschlossen, alle unsere Unterlagen von allen Ärzten und Krankenhäusern einzusammeln und uns damit an eine Fachklinik zu wenden. Die Dinge selbst in die Hand zu nehmen war auch nachträglich gesehen die einzig senkrechte Entscheidung.

Die Diagnose

Nach eingehenden Untersuchungen am Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie der Asklepios-Kliniken in München-Gauting kamen die ersten klaren Aussagen blitzartig. Es war der 17. Oktober 2003. Prof. Häussinger fasste in weniger als einer Minute zusammen:

  • Sie haben eine schwere pulmonale Hypertonie auf der Basis rezidivierender Lungenembolien
  • Ihr Zustand hat sich im letzten Jahr deutlich verschlechtert
  • Sie sind schutzlos (immer noch ohne Marcumar)
  • das ist tödlich

Es war der Schock. Andererseits wusste erstmals jemand, wovon er sprach. Wir brauchten noch einige Zeit, um die Tragweite der Diagnose zu fassen.

Ab dann wurde wieder Marcumar gegeben, was aber nicht verhindern konnte, dass der PAP bis Januar 2004 monatlich kontinuierlich um zehn Einheiten anstieg. Dazu kamen zum Teil heftige Palpitationen. Wo sollte das enden ? Zunächst einmal war es der Beginn nächtelanger Internetrecherchen. Wir versuchten, unsere Lage zu begreifen. www.lungenhochdruck.ch half uns sehr.

Therapie und Suche nach einer Lösung

Prof. Behr, der Leiter der Pneumologie an der Universitätsklinik in München-Grosshadern, untersuchte den Gesundheitszustand meiner Frau ab Januar 2004 sehr systematisch. Zu diesem Zeitpunkt lag der PAP systolisch bei 98 mmHg. Es hatte sich eine schwere Trikuspidalklappeninsuffizienz eingestellt, die Prognose war schlecht. Prof. Behr verordnete die Gabe von Sildenafil und stellte Untersuchungen dahin gehend an, ob die Lunge operabel war.
Die Methode der Wahl bei CTEPH ist die Pulmonale Endarteriektomie (früher pulmonale Thrombendarteriektomie oder kurz PTE). Es handelt sich verkürzt gesagt um das Ausschälen der Lungenarterien. Dabei sollen die mechanischen Verlegungen in den Arterien entfernt werden. Es handelt sich dabei um einen schweren operativen Eingriff (Details unter lungenhochdruck.ch/php/news1.php?aktion=detail&id=38). Die statistischen Prognosen der PTE Patienten übertreffen die Prognosen bei alternativen Behandlungen deutlich. Das klingt sehr positiv, weshalb wir uns schnell dafür entschieden.
Nur: es muss sich auch ein Chirurg dafür entscheiden. Nicht jeder Fall von CTEPH wird als operabel bzw. Erfolg versprechend eingestuft. Die Experten betonen selber, dass die Beurteilung der Operabilität trotz moderner Analysemethoden ein sehr heikler Punkt ist. Und wie überall gibt es Grenzfälle. Unser Fall war so einer.
Die ersten Kontakte wurden in Richtung der Experten von der UCSD (University of California, San Diego) geknüpft, der Klinik mit der in Summe wohl grössten Erfahrung in Sachen PTE. Das führte in puncto Operabilität aber nicht zu der gewünschten klaren Aussage. Skepsis klang durch und ohne eine Reihe von Untersuchungen vor Ort ging gar nichts.
Prof. Behr brachte es auf den Punkt: wir brauchen einen Chirurgen mit der nötigen Erfahrung, der sich auch in diesem Grenzfall seiner Sache sicher ist.
Damit war klar: die Operation würde eine Vertrauenssache werden zwischen uns und einem noch zu findenden Chirurgen. Statistiken um perioperative Mortalitätsraten diverser Kliniken würden zweitrangig sein, ein Zutrauen nur auf der Grundlage wissenschaftlicher Veröffentlichungen in unserem Fall wenig hilfreich.
Schwer verdaulich können auch die von der UCSD veranschlagten und privat zu begleichenden horrenden Kosten für eine PTE sein (durchschnittlich 120.000 US$ für die PTE plus Voruntersuchungen plus Reiskosten). Sie zwingen den Patienten und die Angehörigen eventuell dazu, zu allem Übel auch noch die Verhältnismässigkeit der Mittel diskutieren zu müssen.
Die Zeit lief weg und wir recherchierten intensiver (Bekanntenkreis, Ärzte, Selbsthilfegruppen, ehemalige PTE Patienten). Die Signale zeigten bald erstaunlich parallel in Richtung der Universitätsklinik des Saarlandes nach Homburg zu Prof. Schäfers, dem Leiter der Thorax- Herz- und Gefässchirurgie (www.uniklinik-saarland.de/herzchirurgie|uniklinik-saarland.de/herzchirurgie).
Die Gabe von Sildenafil half meiner Frau. Nach anfänglicher Besserung spürte sie aber, dass der alte Zustand sie bald wieder einholen würde. Es wurde Zeit für die OP.

Vorbereitungen zur PTE

Mit Prof. Böhm, dem Leiter der Med. Klinik und Poliklinik an der Universitätsklinik Homburg vereinbarten wir einen Termin zwecks Voruntersuchungen. Anfang Juni 2004 waren wir für eine Woche dort. Die Untersuchungen wurden ausgesprochen gründlich durchgeführt.
Die Gespräche mit Prof. Schäfers in dieser Zeit waren sehr offen und konstruktiv. Wir diskutierten viele Details um die Frage, ob die Operation erfolgreich sein würde. Die notwendigen Randbedingungen für einen Erfolg formulierte er klar und verständlich anhand der Schäfers-Formel und versuchte, die Untersuchungsergebnisse und die Vorgehensweise damit in Deckung zu bringen.
Dann die Entscheidung: Prof. Schäfers war zur Operation bereit. Seine Verbindlichkeit von half uns sehr, die Vertrauensfrage positiv zu beantworten und das im Gegenzug auch klar auszusprechen.
Mittlerweile hatte Sildenafil eine Senkung des PAP auf 80 mmHg bewirkt, ein sehr willkommenes Ergebnis.

Die Operation

Die Operation fand am Freitag, dem 02.07.2004 statt. Sie verlief ohne Komplikationen. Die PTE dauerte 4 Stunden wie geplant, die beiden Phasen des Kreislaufstillstands dauerten in Summe 42 Minuten. 10 Lungensegmente konnten frei gemacht werden. Prof. Schäfers stand gleich nach der OP für den ersten Kurzbericht zur Verfügung.
Unmittelbar nach der OP lag der systolische PAP bei 48 mmHg und Sonntag, bei der Entlassung aus der Intensivstation, bei 35, der Mitteldruck bei 24.
Meine Frau wurde bis Sonntag im künstlichen Tiefschlaf gehalten und gegen Abend extubiert. Am Montag kam sie auf die Wachstation, wo sie erstmals wieder richtig zu sich kam, Fragen stellte, mit ihren Kindern telefonierte und nachmittags einmal vorsichtig auf die eigenen Beine stand. Am Dienstag wurde sie auf die normale Station verlegt, von wo aus wir schlauch- und kabellos die ersten kleinen Ausflüge im Gebäude unternahmen, inklusive Treppen steigen.
Erster Eindruck: die Beine werden nicht mehr so schwer, sie kann sich während des Gehens wieder unterhalten, ohne dass ihr schwindelig wird: der Sauerstoff ist wieder da. Aber der Kreislauf ist noch schwach, der Puls hoch, und so kommt man dann doch wieder ins Schnaufen. Aber eben anders.
Ab Mittwoch machte sie erste Ausflüge ohne Begleitung und wurde täglich stabiler. Am folgenden Sonntag konnte ich meine Frau wieder mit nach München nehmen. Sie hatte die Kriterien für eine Entlassung erfüllt. Viele haben sich gefragt, wie das möglich war, nach einer solch schweren Operation. Eine Woche später waren wir noch einmal zur Nachuntersuchung in Homburg: ohne Befund.

Das Ergebnis

Das Ergebnis der Operation ist, dass die typischen Anzeichen für eine schwere PH einfach weg sind: Sauerstoffmangel, Rechtsherzvergrösserung, Palpitationen, Wasseransammlungen, extremer Pulmonaldruck. Die PH existiert noch, sie ist im Moment aber unkritisch. Die OP half uns, aus dem Teufelskreis heraus zu kommen. Bis heute, 11 Wochen nach der OP, gibt es keine Komplikationen. Meine Frau ist zur weiteren Betreuung in Grosshadern in guten Händen.
Das Hauptergebnis: nach Adam Riese ist die schlechte Prognose kein Thema mehr.
Durch die Operation wurde der PAP mehr als halbiert, allerdings zunächst noch unter Sildenafil. Die heutige 3. Nachuntersuchung seit der OP vor 11 Wochen brachte die Feststellung, dass sich die Werte trotz des Absetzens von Sildenafil leicht verbessert haben. Als Medikation bleibt noch Marcumar. Wir hoffen, damit den circulus viciosus der PH auf Distanz halten zu können. Nach den Ursachen der Embolien, die bisher nicht gefunden wurden, wird weiter geforscht.
Die Wunde am Sternum verheilt gut, man sollte sie eben nicht belasten. Schlafen in Seiten- und Rückenlage ging von Anfang an. Beim Auto fahren ist anfänglich auf die Reibung des Sicherheitsgurtes zu achten.
Einen Aha-Effekt in der Form, dass meine Frau nun wieder Treppen hoch spurtet wie zu besten Zeiten, gibt es definitiv nicht. Was sich aber mit Berichten anderer PTE Patienten deckt, die z.T. 2 Jahre brauchen, um wieder 80% ihrer Belastbarkeit von vor der PH zu erreichen. Zum Vergleich: beim 6 Minuten Gehtest während der heutigen Untersuchung lief sie 600 m, schon engagiert, aber ohne sich zu überanstrengen.
Vier Wochen nach der OP fuhren wir in Urlaub an die Costa Brava. Leichtes Schwimmen und Wandern waren gut machbar. Zwischenzeitlich haben wir schon einige Fahrradtouren hinter uns, was vor der OP undenkbar war.
Meine Frau arbeitet wieder, Familienleben und Tagesgeschäft funktionieren ohne merkliche Einschränkungen. Es geht langsam aber spürbar aufwärts. Das Leben hat uns wieder.

Unser Dank

Unser Dank gilt

  • Herrn Prof. Dr. Häussinger für seine fundierte Diagnose, das Einleiten der ersten Massnahmen und die Vermittlung nach Grosshadern
  • Herrn Bruno Bosshard für seine hervorragenden Internet Seiten www.lungenhochdruck.ch. Sie sind aus Sicht des Patienten und der Angehörigen ein Riesen-Fortschritt. Denn man kann sich vor einem Arztbesuch informieren und die Zeit mit dem Arzt dafür nutzen, das weitere Vorgehen abzustimmen anstatt sich erst einmal die ganzen Unbegreiflichkeiten einer Krankheit erklären zu lassen.
  • Herrn Prof. Dr. Behr für sein systematisches Vorgehen in der Sache und seine offene Art, mit der er uns durch die Krankheit bis zur OP geführt hat. Ebenso für seinen Einsatz bei der Krankenkasse und die erfolgreichen präoperativen Massnahmen.
  • den Herren Kurbanoglu und Schmidt als Vertretern der Techniker Krankenkasse in München, die eine zeitlich begrenzte Übernahme der Kosten für Sildenafil bewirkt haben. Die Gabe von Sildenafil gilt im Zusammenhang mit CTEPH als off label use. Die Herren haben sehr pragmatisch im Sinne der Patientin entschieden.
  • dem deutschen Selbsthilfeverein PH e.V. (www.phev.de/|phev.de/), der die Kontakte zu ehemalige PTE Patienten vermittelt hat.
  • den ehemaligen PTE Patienten, die uns in persönlichen Gesprächen geholfen haben zu begreifen, was eine PTE aus Sicht des Patienten bedeutet.
  • Herrn Prof. Dr. Böhm, der die Untersuchungen vor der OP durchgeführt und sich für die Patientin eingesetzt hat.
  • Herrn Prof. Dr. Schäfers, der die PTE durchgeführt hat. Ihm gilt unsere Hochachtung. Seine Arbeit war hervorragend. Einerseits am Ergebnis gemessen. Andererseits schon im Ansatz vor dieser schweren OP in der Art, wie er sich mit dem Thema auseinandersetzte und dem selbstverständlichen offenen Zugehen sowohl auf seine Patientin als auch deren Ehemann . Angesichts der Arbeit, die hier geleistet wurde, hat sich unsere anfängliche Vorstellung von der UCSD als potenziell höchster Instanz in Sachen PTE deutlich relativiert. Herzlichen Dank auch an sein Team für die sehr gute und freundliche Betreuung in Homburg.
  • Verwandten, Freunden und Bekannten für ihre Anteilnahme und vielfache Unterstützung in Rat und Tat. Stellvertretend seien Prof. Dr. Scheele (Düsseldorf), Dr. Krekler (München) und Dr. Simianer (Toronto) genannt, die uns einfach durch gesunden Menschenverstand die richtige Richtung gewiesen und sich für uns eingesetzt haben.
Nachtrag am 21.01.2005

Die gestrige 4. Nachuntersuchung in Grosshadern ergab eine höchst erfreuliche Überraschung. Die hämodynamischen Werte haben sich seit der letzten Untersuchung im September noch einmal deutlich verbessert. Das Echokardiogramm zeigte einen systolischen Druckgradienten über der Trikuspidalklappe von 21 mmHg, der rechnerische maximale PAP beträgt damit 26 mmHg. Das ist ein normaler Wert. Und etwa ¼ des Wertes von vor einem Jahr (98 mmHg). Der 6 Minuten Gehtest ergab 640 m.
Meine Frau nimmt noch Marcumar, sonst nichts mehr. Erwähnenswert ist allenfalls, dass sie 3 Mal in der Woche ins Fitnessstudio geht, um wieder aufzubauen.

Nachtrag am 22.08.2009

Der Zustand ist nach wie vor stabil. Seit Anfang 2005 keine Untersuchung mehr außer hin und wieder einigen Blutwerten. Medikation: Marcumar. Regelmäßiger eigener Quick-Test. Schwimmen und Radfahren gehen wie vor der PH. Nach wie vor 3 Mal in der Woche Fitnessstudio oder Schwimmen.

Copyright Bild und Text: Iris Hamm-Freiburger, 21.01.2005

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