Krankheit bleibt oft unerkannt

Andrea Olschewski erforscht Erkrankungen der Lungengefässe. Dieses Wochenende versammelt sie Experten, um über den Stand der Forschung zu diskutieren.

Andrea Olschewski: Viele Personen mit Lungenerkrankungen wie COPD haben Lungenhochdruck. Hier ist der Druck in den Lungengefässen über einen gewissen Schwellenwert erhöht. Doch wird er oft nicht diagnostiziert. Man geht davon aus, dass etwa 20 Prozent der über 40-Jährigen mit Lungenerkrankungen auch Lungenhochdruck haben.

Bemerken die Patienten die Erkrankung denn nicht?
Der Lungenhochdruck ist mehr oder weniger stark ausgeprägt. Er bleibt oft unerkannt, denn Patienten haben unspezifische Symptome, die bei vielen Erkrankungen vorkommen können. Kurzatmigkeit bei Belastung zum Beispiel. Die Patienten gehen oft von einem zum anderen Spezialisten, bis jemand daran denkt, das sie vielleicht eine Lungengefässerkrankung haben.

Sie veranstalten am Wochenende eine Tagung zum Thema Gefässsteifigkeit. Wie hängt diese mit dem Lungenhochdruck zusammen?
Gefässsteifigkeit verursacht Lungenhochdruck. Doch auch heutzutage weiss man kaum etwas über Gefässsteifigkeit in den Lungengefässen. Deshalb wollen wir Experten unterschiedlicher Fachrichtung zusammenbringen, um zu diskutieren und um Ursachen zu finden.

Sind nur Patienten mit bereits bestehenden Lungenerkrankungen von Lungenhochdruck betroffen?
Nein. Viele Patienten mit Lungenerkrankungen haben zwar Lungenhochdruck, es gibt aber auch andere Formen wie den Drogen-induzierten Lungenhochdruck. Beispielsweise durch Amphetamine wie Crystal Meth.

Sind Drogen also ein Risikofaktor?
Ja. Besonders in den USA beobachtet man in den letzten Jahren eine Zunahme von Lungenhochdruck durch Drogenkonsum. Aber auch HIV ist ein Risikofaktor oder andere Erkrankungen wie zum Beispiel angeborene Herzfehler oder die Einnahme von Appetitzüglern. Jedoch wird der Lungenhochdruck oft erst spät erkannt. So bleibt uns nach langjährigen Therapien nur die Lungentransplantation als letzte Behandlungsmöglichkeit.

Gibt es Ansätze, um Lungenhochdruck schon früh zu erkennen?
Wir haben eine Methode entwickelt, um eine deutlich frühere Diagnose zu stellen. Bei dieser erkennt man den Hochdruck bei einer normalen Computertomographie-Untersuchung, wie sie bei jemandem mit Verdacht auf eine Lungenerkrankung durchgeführt wird. Dabei gibt man ein Kontrastmittel, und je nachdem, wie schnell dieses in die Lunge eintritt und wieder verlässt, kann man Rückschlüsse auf den Blutfluss ziehen. Patienten mit Lungenhochdruck haben einen verlangsamten Blutfluss, weil ein höherer Widerstand in der Lunge besteht.

Kann eine frühe Diagnose eine Transplantation verhindern?
Das Traumziel wäre, dass man diese Erkrankung rückgängig macht, und ich denke, dieses Traumziel muss man immer vor Augen haben. Dies kann man aber heute noch nicht versprechen. Wir arbeiten daran, dass man die Erkrankung früher erkennt und im Frühstadium den Verlauf stoppt, damit eine Lungentransplantation gar nicht notwendig wird.

Selbst wenn der Lungenhochdruck früh erkannt wird – gibt es heute gute Therapien?
Es gibt bis zu zehn Medikamente für eine kleine Gruppe von etwa fünf Prozent der Betroffenen mit einer speziellen Form der Erkrankung. Für die anderen, die an deutlich häufigeren Formen des Lungenhochdrucks leiden, gibt es überhaupt keine zugelassenen Therapien. Wir erforschen aber molekulare Signalwege, die zum Gefässumbau führen. Die Erkenntnisse sollen zu neuen Therapien führen.

Wann ist mit Ergebnissen zu rechnen?
Das ist eine Frage, die unsere Patienten auch immer stellen. Heute muss man davon ausgehen, dass die Entwicklungszeit von einem Molekül bis zu einem Medikament etwa zehn Jahre beträgt. Wir konnten schon einige vielversprechende Ansätze präsentieren. An diesen wird weiter gearbeitet.

ZUR PERSON
Andrea Olschewski ist gelernte Anästhesistin und seit 2006 an der MedUni Graz tätig. Sie leitet das Ludwig-Boltzmann-Institut für Lungengefässforschung in Graz. Dieses wurde 2010 unter ihrer Federführung gegründet und forscht an Therapie- und Früherkennungsmethoden sowie der Entdeckung von Ursachen des Lungengefässumbaus.

[@uelle: „Die Presse“, Print-Ausgabe, 27.09.2014]
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