Margrith Widmer [Update 2012]

Information zu meiner Person:

Margrith Widmer
55 Jahre alt
von Beruf Kauffrau und Mutter von drei erwachsenen Kindern.

Private Webseite mit Berichten und den schönsten Erlebnissen
E-Mail: margrith.widmer@gmail.com

„Zuerst dachte ich, es hätte alles mit dem Asthma zu tun.
Ich hatte die verschiedensten Sportarten ausgeübt.
Aber mit allen hatte ich so meine Mühe.
– Es fiel mir einfach alles schwerer als den andern.“

Am Anfang war die Müdigkeit

Personen jeden Alters können von der Pulmonalen Hypertonie betroffen sein. Bergauf gehen, Treppen steigen oder Staubsaugen, schon Alltägliches ist eine grosse Anstrengung. Pausen werden in Situationen eingelegt, in denen andere keine benötigen. Das Umfeld reagiert vielleicht mit Erstaunen und Unverständnis auf die Erschöpfung. Man fühlt sich krank, sieht jedoch gesund aus. Trotz allen Bemühungen führt ein Trainingsprogramm nicht zu einer erhofften Leistungs-steigerung.

Erst eine weitere Verschlechterung führt zum Arzt. Dort wird die Diagnose „Pulmonale Hypertonie“ leider oft erst nach Monaten oder Jahren gestellt. Man muss nun lernen, dass die Symptome real sind und eine chronische Erkrankung vorliegt. Als Betroffener ist es dabei wichtig, dieses Wissen und die Symptome in den Alltag zu integrieren.

Besonders aufgefallen war mir als ich auf meinem täglichen Arbeitsweg eine Treppe nicht mehr so schwungvoll nehmen konnte

Eigentlich weiss ich gar nicht mehr so genau, wann es wirklich angefangen hatte. Nach einer Impfung mit einem neuartigen Grippeimpfstoff, der in die Nase gesprüht wurde, hatte ich im Herbst 2000 eine Gesichtslähmung bekommen, die mich für einige Zeit im wahrsten Sinne des Wortes „lahmgelegt“ hatte. Nach diesem Vorfall war ich einfach nicht mehr dieselbe. In den Wintersportferien merkte ich, dass ich immer mehr Anstrengung brauchte. Die Spaziergänge im tiefen Schnee und jeder noch so kleine Hang ermüdeten mich. Gut in Erinnerung blieben mir die Winterferien im Februar 2003, als ich mit der Gondelbahn oben auf der Alp ankam, da überfiel mich ein diffuses Schwindelgefühl und Übelkeit. Ganz besonders aufgefallen war mir später, als ich auf meinem täglichen Arbeitsweg eine Treppe nicht mehr so schwungvoll nehmen konnte, wie ich es immer tat.

Beim nächsten Hausarzt Besuch bei einem Lungenspezialisten wegen meines allergischen Asthmas habe ich diese Geschichten dann erwähnt. Ich fühlte mich einfach eingeschränkt. Nach einem Body-Check mit einer Lungen Funktionsprüfung beruhigte er mich und meinte, dass ich fit sei und ja fast 100% Luft tanken kann und sowieso, viele bekannte Sportler hätten auch Asthma und könnten trotzdem gute Leistungen erbringen. Das wäre heute doch kein Problem mehr, sagte er, und ich sei ja mit den modernsten Arzneimitteln versehen. Ich solle vor der Treppe einfach einen Hub Ventolin inhalieren, dann würde es schon wieder gehen. Halb überzeugt kehrte ich nach Hause zurück – fest entschlossen, mich von der Unbill dieser Krankheit nicht umwerfen zu lassen.

Ich hatte immer Mühe mit den andern mitzuhalten

Im Sommer 2003 waren mein Mann und ich in den Ferien am Meer. Ich konnte trotz der grossen Hitze auf Hügel steigen, ohne diese seltsamen Beschwerden zu haben. Aber kaum war ich wieder zuhause, hatte ich die alten Symptome wieder. Ich litt unter einem Asthma, spürte jedoch eine unerklärliche Verschlechterung meines Allgemeinzustandes. Darauf meinte der Arzt aber nur, dass mir offensichtlich die Meeresluft sehr gut bekam. Ausserdem töne meine Aussage vom Treppensteigen nach „Angina pectoris“, wofür ich jedoch noch viel zu jung wäre.

Bewusst versuchte ich mit Qi Gong etwas Entspannung zu bekommen. Bald aber merkte ich, dass mir stets die Luft fehlte, wenn es bei den Übungen um langes Ein- oder Ausatmen ging. Mit einer Walk Gruppe bin ich dann noch zweimal wöchentlich durch den Sommer gewalkt bis tief in den Herbst hinein. – Ich hatte immer Mühe, mit den andern mitzuhalten.

Im Februar 2004 hatte ich beim Snowboarden einen Zusammenstoss mit einer Skifahrerin. Ich schlug ziemlich hart auf meine Rippen auf, und es heilte nur schwer. In der Folge war ich sehr ungeschickt auf Snowboard und Inlineskates. Ich hatte keine Kraft und auch keine Freude mehr an diesen Sportarten, und auch das Fahrradfahren machte mir bald keinen Spass mehr. Trotz allem meldete ich mich auch dieses Jahr wieder bei der Walk Gruppe an, um einen sportlichen Ausgleich zu haben. Nach den Sommerferien begann ich noch eine Weiterbildung an der Wirtschaftsschule KV Baden in Richtung Verkauf und Marketing, das lenkte mich etwas ab.

Die Herbstferien verbrachte ich mit meiner Freundin auf der griechischen Insel Samos. Im Walk Schritt stiegen wir den Weg durch eine wunderschöne Landschaft den Berg hinauf bis zur Höhle des Pythagoras. Ich war total begeistert über das Geleistete. – Die Welt war für mich wieder in Ordnung!

Als Assistentin einer Verkaufsabteilung bei ABB organisierte ich im darauffolgenden November ein einwöchiges Seminar für eine Delegation mit hochrangigen russischen Regierungsvertretern und Beamten. Ich war eine Woche lang Ansprechpartnerin und begleitete die Gruppe während der ganzen Zeit. Ein Ausflug führte uns auf das Jungfraujoch – Top of Europe – auf 3500 Metern über Meer. Auf dieser Höhe hatte ich grosse Mühe, mich normal fortzubewegen, und ich atmete schwer. Doch ich wollte mir auf keinen Fall etwas anmerken lassen!

Sie dachte an Burnout und gab mir die Visitenkarte des Psychiaters

Für das neue Jahr 2005 hatte ich gute Vorsätze gefasst. Mein Mann und ich kauften uns Stöcke für das Nordic Walking – ein effektives Ganzkörpertraining. Wir gingen jetzt oft zusammen walken und es machte sogar Spass. An einem sonnigen Sonntagmorgen im März, als wir uns auf den Weg machten, wurde ich von einem seltsamen Schwindelgefühl befallen. Vorsichtig walkte ich weiter, und nach einer abgekürzten Runde war ich froh, wieder zuhause zu sein.

Mitte April besuchte ich mit meiner Arbeitskollegin einen ganztägigen Kurs am anderen Ende der Stadt. Während der Schulung spürte ich plötzlich ein eiskaltes Kribbeln vom Bein herauf und es wurde mir ganz schlecht dabei. Ich durfte mich auf einem Liegestuhl ausruhen und die Beine hoch legen. Leider half alles nichts, und ich entschied, am Nachmittag alleine mit dem Auto nach Hause zu fahren. Auf dem Heimweg erfüllte mich eine riesige Angst, mit alldem alleine zu sein. Kurzentschlossen nahm ich den Weg direkt zum Betriebsarzt von ABB, dem Institut für Arbeitsmedizin, in Baden. Da konnte man ohne Anmeldung hingehen. Ich wusste, da war ich gut aufgehoben, von dieser Möglichkeit hatte ich schon oft Gebrauch gemacht. Ich wollte mich einfach nur versichern, dass mit mir alles in Ordnung war, aber ich weinte verzweifelt, als ich der Krankenschwester die Symptome erklärte. Sie sprach vom Burnout-Syndrom und gab mir die Visitenkarte vom Psychiater. Sofort leitete sie mich notfallmässig weiter zu meinem Arzt, dem Lungenspezialisten, und ich solle mir doch überlegen, die Hilfe des Psychiaters in Anspruch zu nehmen, wenn ich so nicht weiterleben wollte.

Also doch keinen Psychiater!

Der Untersuch beim Lungenarzt irritierte mich schon etwas. Er meinte, dass alles in Ordnung sei mit mir, und es könnte mir nicht besser gehen. – Also doch keinen Psychiater! Der Arzt riet mir, zunächst daheim zu bleiben und mich auszuruhen. In den folgenden Tagen war ich sehr schwach. Als ich nur einen kurzen Spaziergang ums Haus machen wollte, konnte ich bei der geringsten Steigung kaum mehr einen Fuss vor den andern setzen. – Hatte mich die Kraft jetzt ganz verlassen? Beim EKG später wurden leichte Unstimmigkeiten entdeckt, und der Lungenarzt sah sich nun veranlasst, mich beim Herzspezialisten zur Herzultraschall– Untersuchung anzumelden.

Lange zwei Wochen verstrichen und ich bekam keinen Arzttermin. Da war wieder einmal etwas schief gelaufen, und nur mit viel Druck konnte ich dann endlich hingehen. Das Herzecho deutete damals schon auf Lungenembolien hin, was ich aber erst im Untersuch ein Jahr später erfahren sollte. Der Arzt beruhigte mich, dass die Beschwerden höchstwahrscheinlich von einer Herzmuskel Entzündung kamen, was jetzt aber nicht mehr genau nachweisbar wäre. Die meisten Menschen würden davon jedoch nichts merken. Die Hauptbeschwerden aber hatte er meinem langjährigen Asthma zugeordnet. Es war also nichts Ernstes. Ich solle ruhig wieder walken gehen, das wäre kein Problem.

Mich quälte Atemnot und Kraftlosigkeit

Trotz aller guten Vorsätze verschlimmerten sich von nun an meine Atembeschwerden. Bei weiteren Untersuchungen beim Lungenarzt wurden Bluttests unter anderem auf versteckte Embolien gemacht, was jedoch sehr selten vorkomme. Ich hatte aber nicht darauf angesprochen. Wieder ging ich walken und wieder brach ich fast zusammen, ich hatte einfach keine Kraft mehr und gab jetzt auch noch diesen einzigen Sport auf. Zum Trost hatte ich ja noch die vielen Treppen im Schulhaus bis zum Schulzimmer im obersten Stock, die ich zweimal wöchentlich zu bezwingen hatte.

Es folgten mal gute und mal schlechte Tage. Im Mai machte mir eine Wanderung über einen Hügel keine Beschwerden. Und im Juni konnte ich bei einer Seilbahn-Bergstation wieder fast keinen Fuss mehr vor den andern setzen vor lauter Schwäche. Ich quälte mich mit Atemnot und Kraftlosigkeit – ich verstand bald gar nichts mehr. Mein Arzt verordnete mir auf eigenen Wunsch eine Kombination von Betablocker gegen das starke Herzklopfen bis zum Hals, Johanniskraut gegen Depression und Magnesium, um mich wieder etwas auf die Beine zu bringen. Doch alles wurde immer schlimmer, und ich wurde nicht mehr mit der geringsten Anstrengung fertig, obwohl ich früher mehr zu leisten im Stande war als der Durchschnitt. Aber davon auszugehen, dass mein Zustand vor allem das Ergebnis einer grossen Depression sein sollte – nein, unmöglich!

Ich glaubte am nächsten Morgen nicht mehr aufzuwachen

Bei der Arbeit war ich immer so kurzatmig, und wenn ich mal etwas erklären sollte, konnte ich keinen vernünftigen Satz mehr in einem Atemzug aussprechen. Mir fehlte einfach die Luft dazu. Bei der täglichen Körperpflege spürte ich, dass ich bereits beim Körper eincremen ziemlich ausser Atem geriet, sogar das Zähneputzen ermüdete mich. Den ganzen Sommer über ging es nun so weiter, die Ferien am Meer halfen mir auch nichts mehr und ich bewegte mich nur noch sehr langsam fort. Beim Treppensteigen musste ich inzwischen auf jedem Absatz eine Pause einlegen. Mitunter lastete ein grosses Gewicht auf meiner Brust. In der Nacht vor dem Einschlafen wurde es mir manchmal so schlecht, sodass ich glaubte, am nächsten Morgen nicht mehr aufzuwachen. Niemandem in meiner Umgebung war es aufgefallen, wie es um mich stand. Alle diese Beschwerden hatte ich immer gekonnt vertuscht, und wenn es einmal wirklich nicht mehr ging, rechtfertigte ich dies mit meinem Asthma. Die Situation war erdrückend. Ich wollte nur noch möglichst alle Anstrengungen vermeiden. Auf der Strasse machte ich Umwege, wenn es mal irgendwo eine Steigung gab. Ich nahm den Bus nur schon für die kürzeste Strecke, und anstelle der Treppe nahm ich fortan nur noch den Lift. – Ich begann mich immer mehr zu verstecken.

Die Angst dieser Kraftlosigkeit jetzt ganz ausgeliefert zu sein machte mich unendlich traurig

Ein erneuter Gang zum Lungenarzt Ende November 2005 veranlasste mich ihm mitzuteilen dass ich ab jetzt alle Medikamente absetzen und nochmals schauen will wie es mir dann gehe. Ich verabschiedete mich und wollte keinen weiteren Termin, da er mir sowieso nicht mehr helfen konnte. In seinen Augen war ich ja gesund.

Während Weihnachtseinkäufen in Zürich anfangs Dezember wurde ich einmal mehr von einem plötzlichen Schwindelgefühl befallen, und ich war der Ohnmacht nahe. Mein Mann brachte mich nach Hause, wo ich dann noch Schüttelfrost und Fieber bekam. Ich war zwei Tage lang krank und versuchte mich dann auf den dritten Tag einzustellen, wo ich meine Arbeit wieder aufnehmen wollte. Ich fing langsam wieder an, meinen Haushalt zu erledigen und wollte den Wäschesack aus dem Wäschekorb heben – aber es ging nicht, ich hatte gar keine Kraft mehr! Die Angst, dieser Kraftlosigkeit jetzt ganz ausgeliefert zu sein, machte mich unendlich traurig. Unter Tränen erzählte ich dies später meinem Mann, der mich zu diesem Zeitpunkt aber auch nicht mehr so ganz verstand zumal der Lungenarzt immer bestätigen konnte, dass mir nichts fehlte. Von da an hatte sich eine totale Schwäche eingestellt. Beim Gehen konnte ich nur noch allerkleinste Schritte machen und ich schämte mich schon entdeckt zu werden…

Ich litt an massivsten Lungenembolien, gesammelt über Jahre! Die nächste hätte meinen Tod bedeuten können

Es war meine Schwester die mich entdeckt hatte: „Ich war zutiefst erschrocken, ich war in der Stadt zuerst hinter dir, dann neben dir gegangen, ich hatte zuerst gedacht: Nein, das ist nicht meine Schwester! Ich hatte dich ganz langsam und vorsichtig gehen gesehen, und ich wurde wütend, weil ich dir schon ein paar mal gesagt hatte, du sollst zu einem anderen Arzt gehen, und du es nicht gemacht hast, und ich einfach spürte, dass du viel kränker warst als man meinte. Ich glaube, dass dich am Abend dein Schutzengel zu mir nach Hause geführt hat, und ich dich dann fragte, ob ich dich am nächsten Tag bei meinem Arzt anmelden dürfe (du musstest ja auch einverstanden sein), und ich dann bei der Arztgehilfin nachdoppelte, indem ich ihr sagte: Nein, meine Schwester kann nicht erst nächste Woche zu Ihnen kommen, sondern sie muss morgen kommen.“

Zu meinem grössten Glück! – wie sich in den darauffolgenden Untersuchungen herausstellen sollte. Denn ich litt an massivsten Lungenembolien, gesammelt über Jahre! Die letzten waren akut, die nächste hätte meinen sicheren Tod bedeuten können!

Die Untersuchungen im Kantonsspital Baden waren am 22. Dezember 2005. Die Lungen Perfusionszintigrafie zeigt das Verteilungsmuster des Blutflusses in der Lunge. Blutgerinnsel im Lungenkreislauf können auf diese Art dargestellt werden. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr, die Lunge war voll von Embolien. Man wollte kein Risiko mehr eingehen, und ich wurde in einen Rollstuhl gesetzt und sofort in die Notfall Aufnahme des Spitals gebracht, wo man auch gleich mit der Blutverdünnung (Antikoagulation) begann. Ich bekam Sauerstoff, und endlich konnte ich meine Familie benachrichtigen. Alles ging so schnell, es war wie im Traum. Die Diagnose war gestellt. Anfangs war ich erleichtert. In den Jahren zuvor war ich also weder depressiv noch verrückt!

Am Abend des 24. Dezember 2005 wurde ich aus dem Spital entlassen und konnte glücklich im Kreise meiner Familie Weihnachten feiern. – Durch das schnelle Handeln meiner Schwester wurde mir also das Leben gerettet und ich war das grösste Weihnachtsgeschenk!

Es kam jetzt öfters zu Beinahe-Ohnmachtsanfällen wobei ich wieder einmal beim Notfallarzt landete

Im Februar 2006 war ich bereits acht Wochen antikoaguliert und eigentlich sollten die Embolien langsam verschwunden sein. Ich arbeitete schon wieder zu 80%, da mir der neue Hausarzt sagte, ich solle mich nicht „verinvalidisieren“. Leider spürte ich gar keine Erleichterung, und alles fiel mir schon wieder genau so schwer wie vorher. Immer wieder überfielenmichdieseSchwindelgefühle, und eskam jetzt öfters zu Beinahe-Ohnmachtsanfällen wobei ich wieder einmal bei einem Notfallarzt landete. Dieser nahm mich aber nicht wirklich ernst und gab mir Beruhigungstabletten. Mein Hausarzt überwies mich in der Folge zum Herzultraschall Untersuch wo der Herzspezialist mir dann auch gleich das Ergebnis eröffnete. Er berichtete mir, dass die Untersuchung vor einem Jahr eigentlich schon darauf hingedeutet hätte, aber leider falsch interpretiert wurde. In den Lungenarterien hatte er neu einen ziemlich hohen Blutdruck von 65 mmHG gemessen, verursacht durch die Verstopfungen der Embolien, die keineswegs verschwunden waren. Demzufolge litt ich also unter einem schweren Lungenhochdruck (Pulmonale Hypertonie). Der Begriff Bluthochdruck beruhigte mich vorerst, klang vertraut. Schliesslich wird Bluthochdruck ja mit blutdrucksenkenden Medikamenten behandelt, oder nicht?

Pulmonale Hypertonie! Nur hatte keiner in meinem Bekanntenkreis jemals von Pulmonaler Hypertonie gehört

Nur zwei Tage später erlitt ich vor dem Bettgehen einen starken Bluthusten begleitet von einem lauten Rasseln in den Atemwegen. Die Situation war beängstigend. Nach mehreren Anfällen, die nur schwer zu stillen waren, kam ich wieder auf die Notfallstation des Kantonsspitals in Baden, wo die erhöhte Blutungsneigung innert kurzem Zeitraum aufgehoben wurde. Ich wurde mehreren Untersuchen unterzogen. Computertomografisch konnten keine neuen Embolien gefunden werden. Die Bronchoskopie zeigte keinen Hinweis auf eine Blutungsquelle. Zudem wurde der ganze Bauchraum mit Ultraschall erfolglos nach Tumoren abgesucht. Keiner der behandelnden Ärzte wusste zu diesem Zeitpunkt von der pulmonalen Hypertonie. Erst als mein Hausarzt den Bericht des Herzspezialisten bekam, setzte er sich sofort mit mir in Verbindung ohne zu Wissen, dass ich bereits im Spital lag. – Pulmonale Hypertonie! Nur hatte keiner in meinem Bekannten- oder Familienkreis jemals von pulmonaler Hypertonie gehört. Nicht ein einziger kannte jemanden, der darunter litt. Auch in den Zeitungen wurde niemals davon gesprochen. Mein Problem war ernst. Die Behandlung überstieg die Kompetenzen der Ärzte im Kantonsspital. Ich musste für eine umfassende Bilanz in ein Universitätsspital, das mir dann vielleicht eine Therapie vorschlagen kann.

Es gibt eine Sprechstunde für Pulmonale Hypertonie am Universitätsspital in Zürich

Ich war drei Wochen im Kantonsspital und kam noch zwei Wochen zur Rehabilitation nach Davos, wo ich lernte, mit dieser Krankheit umzugehen und wo meine Grenzen lagen. Gleichzeitig begann ich eine angemessene Physiotherapie. Erst im April 2006 kam ich ins Universitätsspital Zürich in die Sprechstunde der pulmonalen Hypertonie von Prof. Rudolf Speich, wo man sich meiner Krankheit annahm. Plötzlich wurde ich verstanden, und die Leute wussten alle bestens Bescheid über diese seltene Krankheit und deren Symptome. Endlich war ich gut aufgehoben. Ich wurde darüber aufgeklärt, dass ich nicht geheilt werden kann. Aber man will noch eine Weile abwarten, ob die Embolien unter der Blutverdünnung nicht doch verschwinden. Ich musste einen ersten 6-Minuten-Gehtest machen und sollte dann in drei Monaten wieder kommen.

Der diagnostische goldene Standard ist unzweifelhaft die Rechtsherz Katheteruntersuchung

Nachdem im Juli 2006 die Symptome nicht geringer geworden waren, lud man mich im August zu weiteren Untersuchungen ein, die für mich wegweisend waren. Eine Lungen Perfusionszintigrafie sollte zeigen, ob sich erneut Embolien gebildet haben. Für die Herzkatheteruntersuchung landete ich auf der Intensivstation wo man unter sterilsten Bedingungen die Druckmessung sowie Testung der Reversibilität unter Einnahme von Medikamenten vornahm. Bei der Pulmonalis Angiografie wurde festgestellt, wo die Embolien liegen und ob eine Operationsmöglichkeit besteht. Die Untersuchungen zeigten aber gute Aussichten auf eine medikamentöse Behandlung. Ich litt jetzt also an einer chronischen thromboembolischen pulmonalen Hypertonie (CTEPH) auf der Basis rezidivierender d.h. wiederkehrender Lungenembolien, und ich benötigte von nun an eine Dauerantikoagulation (Blutverdünnung) und ausserdem wurde eine Therapie mit Sildenafil (Viagra) und einer kleinen Dosis Diuretikum (Wassertabletten) angefangen.

Die Besserung war nicht wirklich unmittelbar. Einen Monat später aber fühlte ich mich wieder etwas leistungsfähiger. Mitte September konnte ich wieder zu 20% mit Arbeiten beginnen.

Mein Leben ist nicht mehr so wie früher…

Ich kann nicht sagen, dass ich mein Leben wie früher lebe. Ausflüge in die Berge gibt es nicht mehr so häufig. Mit der Einhaltung bestimmter Vorsichtsmassnahmen komme ich aber gut im Alltag zurecht. Ich glaube, man merkt es mir nicht an, dass ich keine Anstrengungen mehr vertrage. Ich habe jetzt ein Elektrofahrrad, mit dem ich wieder mühelos Touren fahren kann. Flugreisen sind für mich kein Problem. – Meine oberste Priorität ist eine gute Lebensqualität.

Inzwischen ist mir auch bewusst geworden, dass nicht nur ich diese Krankheit habe. Ich habe mich der Selbsthilfegruppe www.lungenhochdruck.ch angeschlossen und einige Personen persönlich bei Treffen kennengelernt. Im Internet, unter dieser Adresse, habe ich viele Berichte unter anderem auch von Patienten ausfindig gemacht.

Die Bilder der Pulmonalisangiografie wurden von Prof. Mayer von Mainz beurteilt und als operabel befunden. Diese Option wurde mir im November 2006 mitgeteilt. Ein Informationsgespräch mit dem Operateur Prof. Mayer hat im November 2007 stattgefunden. Bis heute konnte ich mich nicht für diese schwierige und gefährliche Operation entscheiden. Der Gedanke daran ist für mich noch unvorstellbar.

Der letzte Untersuch im November 2008 hat ergeben, dass mein Zustand unter der medikamentösen Behandlung erfreulicherweise stabil blieb. Der 6-Minuten Gehtest war durch all diese Jahre konstant bei rund 600 Metern. Auch das Herzecho blieb unverändert. Seit August 2008 bin ich bei der Kranken Taggeld Versicherung ausgesteuert. Die Invalidenversicherung hat mir eine Rente zugesprochen. Mein Arbeitsvertrag wurde von 100% auf 20% abgeändert. Aufgrund der Verteilung meines Arbeitspensums auf zwei halbe Tage in der Woche und des entsprechenden Arztzeugnisses vom Universitätsspital hat mein neuer Vorgesetzter bei ABB entschieden, mich nach zwölf Jahren nicht mehr weiter in seiner Abteilung zu beschäftigen. Infolge der nicht sehr günstigen Wirtschaftslage wird mir so kurzfristig keine andere Stelle bewilligt, sodass ich erwäge meinen Arbeitsvertrag aufzulösen und neue Wege einzuschlagen.

Ich wünsche mir, dass alle an pulmonaler Hypertonie erkrankten Personen in der Schweiz ihr Leiden schneller diagnostiziert bekommen als es bei mir der Fall war. Und dass sie mit dieser seltsamen und unbekannten Krankheit nicht alleine dastehen, sondern von jenen die diese Krankheit kennen mit Rat und Tat unterstützt werden.

Februar 2009/MW


Ein oft vergessenes Krankheitsbild Pulmonale Hypertonie

Die Pulmonale Hypertonie ist eine Krankheit, die sich durch einen erhöhten Blutdruck in den Lungenarterien präsentiert. Im Vergleich zum Blutdruck im grossen Körperkreislauf der etwa 120/80 Millimeter mmHg beträgt ist der normale Blutdruck im kleinen Lungenkreislauf in Ruhe nur etwa 20/8 mmHg. Von einer Pulmonalen Hypertonie spricht man dann, wenn der mittlere Blutdruckwert im Lungenkreislauf über 25 mmHg ansteigt.

Der Krankheitsprozess beginnt mit Veränderungen an der Innenwand der Lungenarterien und/oder durch Verstopfung derselben durch Gerinnsel. Ein komplexes Wechselspiel wird gestört, welches schützende und schädigende Gewebshormone (Thromboxan, Prostacyclin, Endothelin) beim Gesunden im Gleichgewicht hält. Mit der Zeit kommt es zu Vernarbungen der Arterien, die steif werden und sich weiter verdicken. Einige Gefässe verschliessen sich gar vollständig. Zusätzlich steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich in den kleineren Gefässen neue Blutgerinnsel bilden. Die verengten Lungengefässe durchfliesst nur unter sehr hohem Druck ausreichend Blut und so wird auch die Sauerstoffversorgung des Körpers gestört. Zunächst kann der Körper das verminderte Angebot ausgleichen, doch als Reaktion wird der Herzmuskel der rechten Herzkammer dicker (Hypertrophie). Die überanstrengte rechte Herzkammer wird zunehmend schwächer und kann nicht mehr genug Blut in die Lungen pumpen. Das „Rückschlagventil“ der Trikuspidalklappe vermag sich nicht mehr zu schliessen, und es kommt zu einem Rückstau des Blutes in den Körpervenen und einer Einlagerung von Flüssigkeit in den Geweben (Oedeme) und im Bauchraum (Aszites). Das Absinken der Pumpleistung des rechten Herzens wirkt sich auch auf die Funktion des linken Herzens aus, das nicht mehr genügend Blut erhält, wodurch es zu einer Verminderung der Durchblutung und damit auch der Sauerstoffversorgung der Organe kommt. Mit der Zeit kann die rechte Herzkammer gar vollständig versagen, was zum Tode führt.

Symptome

Die Symptome der Pulmonalen Hypertonie sind leider sehr uncharakteristisch. Auch in den fortgeschritteneren Stadien können die Krankheitssymptome und -zeichen mit anderen Lungen- oder Herzleiden verwechselt werden. Daher kann von den ersten Symptomen bis zur definitiven Diagnose oft viel Zeit vergehen. Einige Patientinnen und Patienten mit Pulmonaler Hypertonie suchen erst dann die Aerztin oder den Arzt auf, wenn sie ihr tägliches Leben nicht mehr meistern können. Die Hauptsymptome der Pulmonalen Hypertonie beziehungsweise der Folgeerscheinungen einer dauernden Belastung des rechten Herzens sind im folgenden aufgeführt:

1. Allgemeine Müdigkeit, gelegentlich sogar Depression
2. Atemnot bei Anstrengung (Dyspnoe), welches oft als „nicht mehr in Form“missinterpretiert wird
3. Schwindel und Benommenheit
4. Schneller Puls (Tachycardien)
5. Ohnmachtsanfälle (Synkopen)
6. Hustenreiz bei Anstrengung und chronische Heiserkeit
7. Schwellungen der Fussgelenke oder Beine (Ödeme) und auch im Bauchraum (Aszites)
8. Blauverfärbung von Lippen und Haut (Zyanose)
9. Schmerzen auf der Brust (Angina pectoris)

Untersuchungen
Lungenperfusionszintigrafie:

Eine Lungenperfusionsszintigrafie zeigt das Verteilungsmuster des Blutflusses in der Lunge. Blutgerinnsel im Lungenkreislauf können auf diese Art dargestellt werden. Bei der Perfusionsszintigrafie injiziert man eine schwach radioaktive Substanz in die Vene, kurz darauf wird die Lunge nach radioaktiver Strahlung durchsucht. Durch Blutgerinnsel vom Blutfluss ausgesparte Lungenareale zeigen sich als helle Areale in den Bildern. Bei der Pulmonalen Hypertonie zeigen sich zwei Muster der pulmonalen Durchblutung: eines entspricht im wesentlichen einer normalen Blutverteilung bei Pulmonaler Arterieller Hypertonie (PAH), das andere zeigt fleckige Veränderungen im Blutfluss bei Chronisch-Thrombo-Embolischen Pulmonalen Hypertonie (CTEPH). Der Hauptgrund für die Durchführung einer Lungenperfusionsszintigrafie liegt darin, Fälle mit Pulmonaler Hypertonie wegen Blutgerinnseln im Lungenkreislauf (CTEPH) von den übrigen mit PAH abzugrenzen, da für die ersteren allenfalls eine Operationsmöglichkeit besteht.

Pulmonalis Katheter:

Durch eine Herzultraschalluntersuchung (Echokardiographie) kann die Krankheit Pulmonale Hypertonie festgestellt werden. Dieses Wissen allein reicht nicht aus um eine individuelle Therapieempfehlung auszusprechen. Insbesondere können die Herzleistung (Herzminutenvolumen) und andere Kreislaufgrössen eine wesentliche Bedeutung in prognostisch-therapeutischer Hinsicht haben. Deshalb wird ein sogenannter Pulmonaliskatheter (Rechts-herzkatheter) notwendig. Die dabei ermittelten Werte helfen den Schweregrad der Krankheit und die Reaktionen auf Medikamente genau zu bestimmen. Ein Rechtsherzkatheter muss unter sterilen Bedingungen im Spital durchgeführt werden. Nachdem die Einstichstelle an der Leiste oder am Hals örtlich unempfindlich gemacht worden ist, kann ein Katheter eingeführt und durch die rechten Herzkammer bis zur Lungenarterie (Pulmonalisarterie) vorgeschoben werden. Zunächst werden Ausgangswerte erfasst, wobei die Höhe des Lungendruckes, der Widerstand, den die Gefässe dem Blutfluss bieten und die Blutmenge, die das Herz pro Minute pumpt, gemessen werden. Für die Krankheitsbeurteilung ist dies sehr wichtig. Ein weiterer kleiner Katheter wird im Arm plaziert so können Blutdruck und Sauerstoffgehalt im Blut festgestellt werden. Hat man die Ausgangswerte erfasst, können Medikamente ausgetestet und deren positive und negative Auswirkungen beobachtet werden. Nur so kann ein individueller Therapievorschlag gemacht werden.

Pulmonalis Angiographie:

Diese Untersuchung wird angewendet um durch eine Kontrastmitteldarstellung der Lungengefässe auch kleinere Lungenembolien sichtbar zu machen. Bei der Pulmonalen Hypertonie ist sie nur notwendig, wenn die Lungenperfusionsszintigraphie gröbere Veränderungen des Blutflusses zeigt. Durch die Untersuchung wird festgestellt, wie ausgedehnt der Befall mit Lungenembolien ist, und insbesondere, wo diese sich befinden, ob eher in den kleineren Ästen der Lungenarterien oder in den grösseren, herznahen Gefässen, und ob somit vielleicht eine Operationsmöglichkeit besteht.

Therapie

Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es noch keine heilende Therapie. Die oberste Priorität ist die Verbesserung der Lebensqualität. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann schon eine Verlangsamung des Krankheitsprozesses als Therapieerfolg angesehen werden. Um dieses zu erreichen setzt man unterschiedliche Medikamente ein. Es gibt auch einige vielversprechende Forschungsprojekte, auf deren Ergebnisse gespannt gewartet werden kann. Medikamente neuerer Wirkungsgruppen befinden sich in der Zulassungsphase und schaffen grössere Therapiemöglichkeiten, die den Betroffenen zugute kommen werden.

Blutverdünnung (Antikoagulation: Marcoumar) gehört in der Regel zur Basistherapie der Pulmonalen Hypertonie. Dieses Medikament vermindert die Tendenz des Blutes zur Gerinnung und lässt dadurch das Blut leichter zirkulieren.

Sildenafil: Es wurde – wie aufgrund seiner Wirkungsweise zu vermuten war – festgestellt, dass Sildenafil (Viagra) den Druck in den Lungenarterien senken kann. Diuretika (Wassertabletten) vermindern den Wassergehalt im Körper und reduzieren daher die Arbeit des Herzens.

Chirurgische Option

Thrombendarteriektomie: Für Patienten, die nach Lungenembolien die Pulmonale Hypertonie entwickelt haben, gibt es unter Umständen die Möglichkeit die in den Gefässwänden festsitzenden Blutgerinnsel operativ zu entfernen. Es handelt sich um eine schwierige und gefährliche Operation, die nur von wenigen Spezialisten gut durchgeführt werden kann. Eine erfolgreiche Operation führt zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität und oftmals zu einer normalen Leistungsfähigkeit, doch eine lebenslange und intensivere als übliche Blutverdünnung ist unbedingt notwendig.

Nachtrag

Eine Umbruchsituation ist ja ein Punkt an dem sich entscheidet wie das Leben weiter geht. Nachdem ich meine Krankheitsgeschichte im März 2009 veröffentlicht hatte kündigte ich also bald darauf meine Arbeitsstelle und ich war in der glücklichen Lage sofort mit Arbeiten aufzuhören. Ich schuf mir ein ruhigeres Leben –

 

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