Pulmonale Hypertonie, oft übersehen

Pulmonale Hypertonie

Oft übersehen, lange unterschätzt: ein erhöhter Blutdruck im Lungenkreislauf. Eine pulmonale Hypertonie lässt sich zwar auch heute noch nicht heilen, aber häufig gut behandeln. Der aktuelle Therapiestandard wurde kürzlich beim »Forum Lunge« in München vorgestellt.

Lungenhochdruck allein ist eher selten, aber als Folge einer Linksherzinsuffizienz, Lungenembolie oder chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) treten mildere Formen der pulmonalen Hypertonie relativ häufig auf und werden oft spät erkannt. Noch immer dauere es nach dem Auftreten erster Symptome zweieinhalb Jahre, bis die Diagnose »pulmonale Hypertonie« gestellt würde, sagte Dr. Hanno Leuchte vom Krankenhaus Neuwittelsbach. Je nach Funktionseinschränkung unterscheide man vier Schweregrade von Funktionsklasse I bis IV, erläuterte der Münchner Pneumologe bei der vom Lungeninformationsdienst des Helmholtz Zentrums München initiierten Veranstaltung.
Bis vor wenigen Jahren gab es keine spezifische medikamentöse Therapie des Lungenhoch­drucks, dessen isolierte Form als idiopathische pulmonale arterielle Hypertonie (PAH) bezeichnet wird. Inzwischen hat sich die Situation deutlich verbessert, nachdem der Pathomechanismus der Erkrankung aufgeschlüsselt werden konnte. Drei Signalwege sind dabei gestört, bei denen Stickstoffmonoxid, das Prostazyklin PGI2 sowie das in der Gefässwand gebildeten Endothelin-1 eine wesentliche Rolle spielen.
Therapeutisch eingesetzt werden Medikamente, die entweder die Effekte von zu wenig gebildeten natürlichen Substanzen nachahmen oder gefässverengende Botenstoffe blockieren. Die Therapie stützt sich im Wesentlichen auf vier Substanzklassen.

Prostazyklin-Analoga

Zu dieser Gruppe gehören die Wirkstoffe Iloprost und Treprostinil. Iloprost ist zur inhalativen Gabe für die schwere idiopathische PAH ab Funktionsklasse III zugelassen ist. Für die gleiche Indikation kann auch Treprostinil als Infusionslösung eingesetzt werden. Beide Prostazyklin-Analoga wirken wie das natürliche Prostazyklin vasodilatativ auf die pulmonale arterielle Zirkulation.

Endothelin-Rezeptor-Antagonisten

Eine zweite Wirkstoffgruppe stellen die Endothelin-Rezeptor-Antagonisten dar. Sie hemmen den körpereigenen Botenstoff Endothelin-1, der stark gefässverengend wirkt. Zudem regt Endothelin-1 die Muskelzellen in den Lungenarterien zur Vermehrung an und leistet so einem pathologischen Strukturumbau der Gefässe, einem Remodeling, Vorschub. Auf dem Markt sind die Substanzen Bosentan und Ambrisentan. Aufgrund der potenziell leberschädigenden Wirkung der Substanzen werden alle Verordnungen zentral registriert.

Phosphodiesterase-5-Inhibitoren

Hemmstoffe der Phosphodiesterase 5 (PDE-5) können den Abbau des zellulären Botenstoffs cyclisches Guanosinmonophosphat (cGMP) verzögern und dadurch auf indirektem Weg eine Verbesserung der Durchblutung bewirken, ein Effekt, der auch bei der erektilen Dysfunktion ausgenutzt wird. Zu den PDE-5-Inhibitoren zählen die Wirkstoffe Sildenafil und Tadalafil.

Calciumkanalblocker

Bei einigen Patienten mit idiopathischer PAH dominiert die Gefässverengung, sodass sie von der hoch dosierten Gabe von Calciumkanalblockern, wie Amlodipin, Nifedipin oder Diltiazem, deutlich profitieren. Diese Therapie wird nur in spezialisierten Zentren angewandt und setzt voraus, dass die Patienten bei einer Linksherz-Katheteruntersuchung identifiziert wurden.
Schreitet eine pulmonale Hypertonie unter der Therapie mit einem Wirkstoff nach drei bis sechs Monaten fort, weicht der behandelnde Arzt auf eine andere Substanzklasse aus oder, wenn auch diese Methode ohne Erfolg bleibt, beginnt eine Kombinationstherapie mit zwei Substanzen. Verschlechtert sich die Lungenfunktion eines Patienten dramatisch weiter, wird eine Lungentransplantation in Erwägung gezogen.

Krankheitsmechanismen auf der Spur

Zahlreiche Forschungsansätze zielen darauf ab, die Ursachen des pulmonalen Hochdrucks besser zu verstehen und effektivere Behandlungsstrategien zu entwickeln. Tiermodelle für die unterschiedlichen Formen der pulmonalen Hypertonie sollen dazu beitragen, die Erkrankungsmechanismen im Detail zu verstehen, berichtete Professor Ardeschir H. Ghofrani vom Universitätsklinikum Giessen und Marburg.
Mithilfe von Patientenkollektiven und Biobanken wollen Wissenschaftler die Unterschiede zwischen Erkrankten und Gesunden auf genetischer, metabolischer und Protein-Ebene untersuchen. Sie hoffen, so Schlüsselmoleküle für neue therapeutische Ansatzpunkte, beispielsweise spezifische Transkriptions- und Wachstumsfaktoren, zu entdecken. Auch auf technologischer Ebene werden neue Wege erforscht, um Arzneistoffe in hohen Konzentrationen an den Ort ihrer Wirkung zu transportieren, beispielsweise als Aerosole.

Wirkstoffe in der Pipeline

Vier neue Wirkstoffe sowie eine aus der Krebstherapie bekannte Substanz könnten in den nächsten Jahren zur Behandlung verschiedener Formen von Lungenhochdruck auf den Markt kommen. Ein Hoffnungsträger sei der Wirkstoff Selexipag, ein lang wirksamer Prostazyklin-Rezeptor-Agonist, der als orale Formulierung auf den Markt kommen soll und derzeit in Phase III der klinischen Prüfung ist, so Ghofrani.
Ebenfalls in Phase III wird der Endothelin-Rezeptor-Antagonist Macitentan geprüft. Die neue Substanz zeige ein deutlich besseres Eindringen in die Gefässwand als die bisherigen Substanzen, erläuterte der Pneumologe. Als Endpunkt einer kürzlich abgeschlossenen Studie wurde erstmals nicht eine verlängerte Gehstrecke gewählt, sondern eine Senkung der Morbidität und Mortalität. Bei der amerikanischen Behörde FDA wurde die Zulassung für Macitentan bereits beantragt.
Ein weiterer Therapieansatz stellt Riociguat dar, dessen Wirkmechanismus dem des Botenstoffs Stickstoffmonoxid (NO) ähnelt, das die Muskeln der Gefässwände entspannt und den Lungenblutdruck senkt. Die gefässerweiternde Wirkung von Riociguat wird derzeit in zwei placebokontrollierten Doppelblindstudien der Phase III untersucht.
Der vierte Kandidat ist Treprostinil, das bisher als Infusion verabreicht werden muss. Zurzeit wird geprüft, ob das Prostazyklin-Analogon auch bei einer Inhalation die Leistungsfähigkeit der Patienten steigert.
Alle bisherigen Ansätze zielen darauf ab, die verengten Gefässe zu erweitern. Doch vertiefte Kenntnisse über den Verlauf einer pulmonalen Hypertonie haben gezeigt, dass nicht nur eine Verengung, sondern ein struktureller Umbau die Funktion der Arterien beeinträchtigt. Das starke Gefässwachstum weist sogar einige Parallelen zum Wachstum eines Tumors auf. So lag es nahe, Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) einzusetzen, die das ungesteuerte Zellwachstum in den Lungengefässen hemmen und möglicherweise sogar rückgängig machen können. Klinische Studien mit dem TKI Imatinib würden vielversprechende Ergebnisse zeigen, berichtete Ghofrani. Allerdings traten auch unerwünschte Effekte auf, sodass es für eine Einschätzung des Einsatzes von TKI noch zu früh sei.

[@uelle: Govi-Verlag / Von Hannelore Giessen, München]
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