Seltener als ein Sechser im Lotto Nina und Sara haben Lungenhochdruck

Eine Familie, zwei Töchter, eine Krankheit

Nina lebt mit pulmonaler Hypertonie, was bedeutet: Der Druck in ihrer Lungenarterie ist zu hoch. Das lässt sie unter Atemnot leiden. Sie wird rasch müde, bekommt Herzklopfen, ringt nach Atem. Der Lungenhochdruck hat zudem Auswirkungen auf ihr Herz. Die rechte Herzkammer ist konstant überanstrengt. Nina bekommt Medikamente, die den Druck senken. Sie benötigt zusätzlichen Sauerstoff, damit sie sich besser fühlt und die Anstrengungen des Tages meistern kann.

Das Zimmer auf der Intensivpflegestation IPS A2, wo Nina übernachtet, wenn sie zu einer der regelmässigen Kontrollen ins Kinderspital Zürich kommt, ist ihr Lieblingszimmer. Weil es ein Fester hat und natürlich wegen der pinken Wand. Nina brachte ihre Plüschtiere und ihren riesigen Stoff-Husky mit. Eigentlich hätte sie erst in zwei Wochen einen Termin gehabt. Im Ultraschall wäre ihr Herz vermessen worden, das Gefahr läuft, durch die Anstrengung des Lungenhochdrucks immer grösser zu werden.

Panisch nach Atem ringen

Aber an diesem Morgen ist Nina zu müde, um zur Schule zu gehen. Die elfenhaft schmale Zehnjährige erzählt, dass sie beim Aufwachen grossen Druck auf der Brust spürte und Angst. Angst vor dem Einatmen. Ihre Mutter reagierte sofort. Dass Nina Angst hat, keine Luft zu bekommen, ist ungewöhnlich. Allerdings gab es schon vor einigen Monaten einen Vorfall wegen Sauerstoffmangels. Damals hatte Nina keine Luft bekommen und war in Ohnmacht gefallen. Panisch aufgewacht, konnte sie ihrer Mutter gerade noch mitteilen, sie kriege keine Luft, und verlor gleich wieder das Bewusstsein. Ein riesiger Schreck, der ihr, ihren Eltern und ihrem Götti, die alle im pinken Zimmer beisammensitzen, noch ins Gesicht geschrieben steht. «Stellen Sie sich vor, ihr Kind ringt nach Luft… », die Mutter bricht ab.

Beim aktuellen Vorfall fahren die Eltern ihre Tochter sofort von Graubünden ins Zürcher Kinderspital. Bei der Ausfahrt Chur habe man kurz überlegt, ob sie das Kantonsspital hätten anfahren sollen. Aber die Mutter, die Nina auf dem Rücksitz mit Sauerstoff versorgt, drängt zur Weiterfahrt. Der Vater sieht nicht, was hinten passiert er hört nur das schwere Atmen seiner Tochter und das Geräusch des Akkus der Sauerstoffflasche. Er fährt wie ein Bündner fährt, wenn seine Tochter nach Luft ringt: «Geblitzt hat es jedenfalls nirgends.»

wieder keine Luft

Am Zürcher Bellevue bekommt Nina wieder keine Luft. Die kleine Grube am Hals senkt sich beängstigend tief. Wenige Minuten später ist man im Notfall des Kinderspitals. Geschafft!

Die Untersuchungen zeigen jedoch kein eindeutiges Resultat. Lunge und Herz haben sich seit der letzten Untersuchung nicht verändert. Ist es eine momentane Krise? Müssen die Medikamente, die den Druck in Ninas Lunge senken, angepasst werden? Ziel der Behandlung ist es, die Krankheit zu stabilisieren. Geheilt werden kann sie nicht. Nina soll über Nacht bleiben. Es werden mehrere Tage daraus.

Zwei Schwestern, eine Krankheit

Ninas ältere Schwester Sara, 15 Jahre alt, leidet ebenfalls unter pulmonaler Hypertonie. Der ältere Cousin Cyril ist an der gleichen Krankheit gestorben. Die Familie scheint erblich belastet. Aber die Krankheit ist so selten, dass es die Eltern nach Sara wagten, ein weiteres Kind zu bekommen.

Vorher fragten sie die Ärzte um Rat. «Eher haben Sie einen Sechser im Lotto!», wird ihnen versichert. Als Nina geboren wird, geht es ihr anfangs gut. Die Eltern sind zuversichtlich. Als Nina drei Monate alt ist, schlägt die Ärztin bei einer Routineuntersuchung von Sara vor, bei Nina den Lungendruck zu kontrollieren. Und was niemand für möglich gehalten hat, wird traurige Gewissheit: Nina leidet ebenfalls unter der äusserst seltenen Krankheit. Als ihr am Abend nach der Diagnose der Sauerstoffschlauch angelegt werden muss, hilft die fünfjährige Sara der kleinen Schwester. Der Mutter laufen die Tränen übers Gesicht.

nina uns sara
Nina lebt mit Lungenhochdruck, hat aber das Lachen nicht verlernt.

Gespräch mit Sara, der älteren Schwester von Nina

Sara: Wie sah deine Kindheit mit pulmonaler Hypertonie aus?

Da es schon ziemlich lang her ist, kann ich diese Frage nicht vollständig beantworten. Im Kindergarten hatte ich noch Sauerstoff. Ich weiss nicht mehr, ob es mich gestört hat. Ich lernte es zu akzeptieren. Ich weiss noch, dass die Kinder fragten, ob ich ansteckend sei, weil ich eine Sauerstoffbrille trage. Dank meinen Grosseltern und Eltern war meine Kindheit normal und gut so für mich. An die Tabletteneinnahme gewöhnte ich mich sehr schnell, es war für mich nie ein Problem. Zum Glück ging es bei mir mit der Gesundheit bergauf, immer ein bisschen besser.

Wie lebst du heute mit der Krankheit?

Ich denke, dass ich ziemlich gut lebe mit dieser Krankheit. Man braucht immer wieder Momente, wo man es akzeptieren muss, so wie es ist. Man ist und fühlt sich eben anders als die andern. Im Moment freue ich mich sehr auf meine Lehre. Ich hoffe, dass mich die Krankheit nicht allzu sehr einschränkt.

Kannst du deiner kleinen Schwester helfen? Redet ihr über eure Krankheit?

Wenn es Nina schlecht geht, kann ich ihr eigentlich nur durch reden helfen. Ich sage ihr zum Beispiel, dass sie die Krankheit akzeptieren muss und nicht den Kopf hängen lassen soll. Ich erzähle ihr auch von mir, wie es war, als ich noch Primarschülerin war und wie ich immer wieder aufstehen musste und weitermachte. Sonst reden wir zwei nicht oft über die Krankheit.

Gibt es Dinge, auf die du in der Kindheit verzichten musstest und die du jetzt nachholen möchtest ?

Als ich klein war, konnten wir nur dorthin in die Ferien fahren, wo wir auch Sauerstoff geliefert bekamen. Mit dem Flugzeug zu verreisen, war schwierig und ein riesiger Aufwand. Letzten Herbst war ich mit der Familie in Berlin. Auf dem Flug klappte alles sehr gut. Gerne würde ich auch mal weiter weg in die Ferien fliegen …

Möchtest du noch etwas anfügen, z.B. übers Kispi?

Das Kispi ist toll. Es arbeiten dort so viele liebe Menschen.

nina und sara
Sara mit 2 Jahren. Heute ist sie ein Teenager und schafft das Leben ohne zusätzlichen Sauerstoff.

Die Stiftung Chance für das kritisch kranke Kind hat den ursprünglichen Aufbau der Intermediate Care Station im Kinderspital Zürich mitfinanziert. Auf dieser Abteilung, die heute Intensivstation 2 heisst, werden Patienten betreut, die längere Zeit im Kinderspital bleiben oder zu regelmässigen Kontrollen zurückkehren.

 

[@uelle: © STIFTUNG CHANCE 2017 | Stiftung“ Chance für das kritisch kranke Kind“]

 

 

 

 

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