Wenn der Brustkasten in der Schraubzwinge steckt

Pulmonale Hypertonie

Wenn der Brustkasten in der Schraubzwinge steckt

Menschen mit Lungenhochdruck sind im Alltag stark eingeschränkt. Wenn das Erklimmen einer Treppe für sie zum unüberwindbaren Hindernis wird, obwohl man ihnen äusserlich auf den ersten Blick nichts ansieht, steckt deshalb viel Wahrheit im Zitat von Heino Geerken:“Gesund kann man auch sein, wenn man lernt, mit vorhandenen Einschränkungen den Alltag zu meistern.“ Wie es trotz Krankheit möglich ist, ein annähernd normales Leben und eine glückliche Partnerschaft zu führen, konnte man in Zuchwil anlässlich eines Workshops mit der Sozialpsychologin Cristina Galfetti mit dem Titel „Pulmonale Hypertonie und Partnerschaft“ erfahren.

Zürich, 29. November 2010 – Zur Veranstaltung lud der erst vor einem Jahr gegründete und bereits über 100 Mitglieder zählende Schweizer PH-Verein (SPHV) in Zusammenarbeit mit der Spezialapotheke MediService. Cristina Galfetti, die selber an juveniler Rheumatoider Arthritis leidet, ist spezialisiert auf das Gebiet der Krankheitsbewältigung und betätigt sich als selbständiger Patienten-Coach für chronisch kranke Menschen. In ihrem Vortrag legte sie daher grossen Wert darauf, nicht die Krankheit, sondern die Menschen in den Vordergrund zu rücken. „Es geht nicht darum, auf die Tränendrüse zu drücken. Ich möchte den Menschen Ansätze näher bringen, wie sie alltägliche Probleme im Umgang mit ihrer Umwelt besser meistern können.
Dabei geht es auch um bewussteres Kommunizieren“, erklärte die gross gewachsene Frau mit dem sonnigen Gemüt.

Es steht ihnen nicht auf die Stirn geschrieben

In einer Partnerschaft mit einem chronisch kranken Menschen gibt es oft kleinere und grössere unausgesprochene Probleme oder Wünsche, die ganz einfach aus der Welt geschafft werden können. „Ihr Partner sieht Ihnen nicht an, wenn Sie einen besonders schweren Tag haben. ‚Bitte hilf mir!’ steht Ihnen nicht auf die Stirn geschrieben“, sagte Galfetti und doppelte nach: „Wenn Sie etwas brauchen, sprechen Sie darüber, möglichst schon bevor es nicht mehr anders geht.“ Weil es sehr schwierig ist, durch die „Brille“ des anderen zu sehen, ist es besonders wichtig, seine Bedürfnisse aktiv zu kommunizieren. Das gilt für den Patienten genau so wie für den Angehörigen. Aber selbst dann ist das Leben mit einer chronischen Krankheit kein Zuckerschlecken.

Von Blitzableitern und Murmeltieren

„Es gibt Tage, an denen man seine Frustration und negative Energie irgendwie abladen muss“, schilderte Cristina Galfetti. Das ist genau so wichtig, wie Tage zu haben, an denen man sich zurückziehen kann, keinen Anruf entgegennimmt und sich einfach ein bisschen selbst bemitleidet. „Ich nenne das den Murmeltier-Tag, wenn man sich zurückzieht und von niemandem etwas wissen will. Wenn wir aber unseren Frust loswerden wollen, müssen wir das vorher ankündigen“, bemerkt sie. Solche „Blitzableiter-Tage“ ermöglichen dem Partner, nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen und das Gesagte an sich abprallen zu lassen, ohne sich verletzt zu fühlen. Wie man mit seiner Krankheit letztlich umgeht, ist von Individuum zu Individuum unterschiedlich.
„Viele entwickeln mit der Zeit eine gewisse Ironie und können auch mal über sich selbst und die Krankheit lachen“, weiss Galfetti aus eigener Erfahrung.

Schuldgefühle sind fehl am Platz

Angehörige haben ihrem kranken Partner gegenüber oft Schuldgefühle, wenn sie ihren eigenen Interessen nachgehen. Dass dies meist unbegründet ist, bestätigen die Betroffenen. „Es ist besser, wenn sich beide Partner hie und da eine Auszeit nehmen können und dafür seelisch ausgeglichen sind“, betont eine Teilnehmerin. So erleben das auch Therese und Willy Oesch, die trotz der Krankheit von Therese seit über 30 Jahren glücklich verheiratet sind. „Wir stehen uns heute näher als früher, als meine Frau noch nicht an Lungenhochdruck erkrankt war“, erzählt Willy. „Man lernt durch eine solche Krankheit wieder die schönen Momente im Leben zu geniessen und dankbar zu sein für jeden Tag, den man beschwerdefrei verbringen darf.“ Therese engagiert sich als Präsidentin des SPHV und freut sich über den grossen Erfolg. „Ich hätte nicht gedacht, dass das so einschlägt“, lacht sie. Lachen kann sie wieder, seit sie vor anderthalb Jahren auf eine neue kombinierte Therapie mit einer intravenösen Spritzenpumpe umstellte, welche sie rund um die Uhr mit dem benötigten Medikament versorgt. Nur noch an besonders schlechten Tagen fühlt sie sich, als ob ihr Brustkorb in einer Schraubzwinge stecken würde.

Seltene Krankheit mit komplexer Therapie

Lungenhochdruck (Pulmonale Hypertonie, PH) ist eine vergleichsweise seltene Krankheit. Nur etwa 20 Menschen auf eine Million leiden an einer angeborenen Form des Lungenhochdrucks, deutlich mehr haben die Symptome aufgrund von Medikamenten oder traumatischen Ereignissen. Die Krankheit verläuft ohne entsprechende Therapie tödlich. Moderne Therapieformen ermöglichen vielen Patienten jedoch ein mehr oder weniger normales Leben – Leistungseinschränkungen ausgenommen. In besonders schweren Fällen kann eine Herz- oder Lungentransplantation zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen. Die medikamentöse Therapie umfasst ein ganzes Arsenal verschiedener Tabletten, Inhalatoren, subkutaner oder intravenöser Medikamente. Das ist auch ein Grund dafür, wieso sich die Spezialapotheke MediService für die Mitglieder des SPHV einsetzt. Der regelmässige Gang in eine Apotheke stellt für viele PH-Patienten ein erhebliches Hindernis dar. Deshalb sind sie besonders froh, wenn sie sich ihre Medikamente und Hilfsmittel per Post nach Hause liefern lassen können. Damit bei der Einnahme von bis zu über einem Dutzend verschiedener Medikamente im Laufe eines Tages nichts schief geht, überwachen die Mitarbeiter der Abteilung PharmaCare die Rezepte akribisch auf mögliche Wechselwirkungen oder Fehldosierungen und stehen bei Fragen auch telefonisch zur Verfügung. Darüber hinaus organisiert das Unternehmen regelmässig Informationsveranstaltungen für Patienten mit chronischen Krankheiten.

[@uelle: Balanx Redaktion / Benjamin Blaser]