Auf 7000 Metern lauert die Gefahr im Hirn

Die ersten Forschungsresultate der Nepal-Expedition von 2013 sind da und überraschen: Höhenmediziner des Inselspitals haben bei Testpersonen Mikroblutungen im Gehirn entdeckt.

Vor zwei Jahren brachen Forscher des Berner Inselspitals und 40 Probanden zu einer spektakulären und nicht ungefährlichen Expedition auf den 7126 Meter hohen Himlung Himal in Nepal auf. Zweck der Reise war die Erforschung der Höhenkrankheit. Jetzt liegen die ersten Forschungsresultate vor. Und sie überraschen.
Die Höhenmediziner des Inselspitals haben zwar bei den Testpersonen keine bleibenden Verletzungen des Hirngewebes und keinen Hirnsubstanzverlust beobachtet. Aber bei einigen wurden im Nachhin­ein gefährliche Mikroblutungen im Hirn nachgewiesen. Sie waren in grosser Gefahr, ohne dass jemand etwas gemerkt hat. «Damit haben wir nicht gerechnet», sagt Tobias Merz, der Forschungs­leiter der Expedition.
Bei rund einem Drittel der Testpersonen, die im Herbst 2013 auf über 7000 Meter hochgestiegen sind, wurden nach der Rückkehr bei MRI-Untersuchungen Mikroblutungen im Hirn nachgewiesen.
Das heisst: Schon im letzten Hochlager (7050 Meter) und auch beim Aufstieg zum Gipfel ist es bei diesen Bergsteigern zu einer erheblichen Störung der Blut-Hirn-Schranke gekommen, ohne dass die Bergsteiger selber etwas gemerkt hätten.

Blutungen im Hirn

Hirnblutungen, und seien sie auch noch so klein, markieren laut dem Intensivmediziner Tobias Merz den Beginn eines lebensbedrohlichen Hirnödems. Sind die Blutgefässe einmal leck und tritt Blutflüssigkeit ins Hirn, können Bergsteiger innert kürzester Zeit das Gleichgewicht verlieren, handlungsunfähig oder sogar bewusstlos werden.
«Diese Hirnblutungen sind der Beweis, dass einige der Probanden trotz sehr defensivem Aufstiegsprofil kurz vor einer gefährlichen Hirnfunktionsstörung und einem lebensbedrohlichen Höhenhirnödem standen, ohne dass wir etwas davon gemerkt hätten», meint Jacqueline Pichler, Forscherin am Inselspital.

«In grosser Gefahr»

Der höhenerfahrene Studienleiter Tobias Merz konnte die inzwischen im Fachmagazin «PLOS One» publizierten Resultate zuerst kaum glauben. «Wir haben alle nicht damit gerechnet, weil wir auch keinen Anlass dazu hatten.» Man habe den Erkrankten überhaupt nichts angemerkt.
Dieser Umstand macht Merz nachdenklich: «Einige von uns waren in grosser Gefahr.» Und: «Mit dem heutigen Wissen würde ich mir eine weitere Expedition in solch grossen Höhen noch genauer als bisher überlegen.»

Keine bleibenden Schäden

An den Fragen, wie gross das Gefährdungspotenzial bei längerem Aufenthalt in grossen Höhen wirklich ist und ob es aufgrund des Sauerstoffmangels zu einer allenfalls bleibenden Schädigung des Hirns kommt, wird seit Jahrzehnten geforscht.
«Macht Höhenbergsteigen dumm?», fragen Boulevardmedien zum Beispiel. Veränderungen der kognitiven Funktion nach Aufstiegen in grosse Höhen (Gedächtnisstörungen, Schwierigkeiten bei komplexen Denkvorgängen) sind verschiedentlich beschrieben worden.
Auch gibt es Berichte aus Studien über funktionale Veränderungen des Hirnstoffwechsels und strukturelle Veränderungen des Hirngewebes.
Die neuen und in ihrer Breite erstmaligen Forschungsresultate der Berner Mediziner haben aber keine Bestätigung und auch keine Hinweise auf eine Schädigung der Hirnstruktur oder eine Abnahme der Hirnmasse aufgezeigt.
Teilnehmer Tommy Dätwyler berichtete bereits von der Nepal-Expedition im Jahr 2013 mehrmals für die Berner Zeitung.

[@uelle: Berner Zeitung]
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