«Ich verdanke mein Leben dem Tod eines anderen»

Laura erkrankte vor einem Jahr an Lungenhochdruck und hat nur dank einer Organspende überlebt. Im Interview erzählt sie von ihrem Kampf gegen die Krankheit.

Laura, wann und wie hast du erstmals gemerkt, dass etwas nicht stimmt?

Ich war immer sehr aktiv, aber vor einem Jahr merkte ich zum ersten Mal, dass ich schon bei kleinen Anstrengungen ausser Atem geriet. Ich war ständig müde und mir war oft schwindlig. Ich ging zu meinem Hausarzt, der mich ins Spital schickte. Zum Glück ist mein Arzt dort in der Schweizerischen Gesellschaft für Pulmonale Hypertonie und hat die Krankheit darum sofort erkannt.

Wie ging es nach der Diagnose weiter?

Die meisten Erkrankten kommen mit Hilfe von Medikamenten gut zurecht. Darum dachte man auch bei mir, dass es nur die richtige Medikation brauche. Aber nach einer ersten Verbesserung verschlechterte sich mein Zustand sehr schnell. Nur drei Monate nach der Diagnose hatte ich zum ersten Mal einen Herzstillstand. Bei gesunden Menschen liegt der Lungendruck bei 20 mmHg (Anm. d. Red.: Masseinheit für den Blutdruck). Ab 25mmHg spricht man von Pneumonaler Hypertonie. Der Druck meines Herz-Lungen-Systems lag zuletzt bei 100mmGh. Somit war klar, dass ich nicht mehr lange zu leben haben würde.

Wie viel Zeit gaben dir die Ärzte noch?

Nicht einmal sechs Monate. Ich wurde darum im Oktober 2015 zuoberst auf die Empfängerliste für eine Spenderlunge gesetzt.

Wie war das für dich und dein Umfeld?

Mein Partner, meine Familie und ich haben nur noch funktioniert. Ich fühlte mich nicht mehr wie ein Mensch. Ich war komplett von anderen abhängig. Ich konnte mir nicht mehr selber die Schuhe binden und wurde bei kleinsten Anstrengungen ohnmächtig. Nur schon, wenn ich mich im Bett umdrehen wollte. Das alles riss mich komplett aus dem Leben. Zwei Monate später kam dann endlich der erlösende Anruf.

Man hatte eine Spenderlunge für dich gefunden?

Genau. Es ging plötzlich alles sehr schnell. Ich kam ins Krankenhaus und nach achteinhalb Stunden war das Organ transplantiert. Allerdings gab es schwere Komplikationen. Mein Herz war ja unnormal gross und darauf trainiert, wie wild zu pumpen. Es musste sich erstmal wieder zurückbilden, damit es die neue Lunge und die frisch vernähten Arterien nicht zerstörte. Darum hätte ich eigentlich zwei Tage im künstlichen Koma bleiben sollen. Da ich aber Fieber bekam und mein Herz sich nicht beruhigte, wurden es zwei Wochen.

Kannst du dich noch an deine ersten Gedanken nach dem Aufwachen erinnern?

Ich kann atmen! Es war unglaublich. Ich konnte richtig ein- und ausatmen. Vom Koma habe ich nichts bemerkt. Ich erfuhr erst durch meine Mutter, dass ich ganze zwei Wochen weg war.

Wie war die erste Zeit mit der neuen Lunge?

Ich erholte mich erstaunlich schnell. Als die Ärzte mir sagten: «Weihnachten kannst du zu Hause verbringen», musste ich lachen. Drei Wochen nach einer Transplantation das Krankenhaus verlassen zu können, erschien mir wie ein Witz. Aber tatsächlich: Heiligabend durfte ich für ein paar Stunden heim und mit meiner Familie feiern. An Silvester konnte ich das Spital endgültig verlassen.

Hat es dich je interessiert, von wem deine Lunge stammt?

Ja und nein. Mir ist bewusst, dass ich mein Überleben dem Tod eines anderen Menschen verdanke und dass dahinter eine traurige Geschichte steht. Ich bin dem Spender und seiner Familie unendlich dankbar. Aber die Lunge war vom ersten Moment an meine. Ich habe nie darüber nachgedacht, dass es das Organ eines Fremden ist. Ich könnte der Familie des Spenders über Swisstransplant einen Brief zukommen lassen und sie können mir antworten. Wir würden nie direkten Kontakt haben. Vielleicht werde ich das zu gegebener Zeit machen. Aber im Moment bin ich noch nicht so weit.

Wie geht es dir heute, zwei Monate nach der Transplantation?

Immer besser. Ich bin natürlich noch eingeschränkt. Aber ich kann Auto fahren, mit dem Hund spazieren gehen oder leichtes Ausdauertraining machen. Ich fühle mich wieder selbstständig, wie ein Mensch. Seit der Diagnose ist es mir wichtig, im Hier und Jetzt zu leben, denn wer weiss, was morgen ist. Darum werden mein Freund und ich am 1. Dezember 2016, dem Jahrestag meiner Transplantation, heiraten. Wir hatten das schon lange vor, haben es aber immer vor uns hergeschoben. Damit ist nun Schluss.

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