Lungenembolie -> Lungenhochdruck (CTEPH)

Damit Sie nach einer Lungenembolie aufatmen können

Die beste Vorbeugung vor gefährlichen Blutgerinnseln – Ratschläge eines Kardiologen und Pneumologen aus dem Würzburger Missio

Seit zwei Jahren hatte Isolde W. Schwierigkeiten beim Atmen, und es wurde schlimmer. Sie bekam Luftnot in immer kürzeren Abständen, manchmal wurde ihr schwindelig, und sie hatte immer häufiger ein starkes Beklemmungsgefühl in der Brust. Den Sonntagsspaziergang traute sie sich schon länger nicht mehr zu, zuletzt fiel auch immer öfter der Stadtbummel aus, weil er zu beschwerlich wurde.

Die 63-jährige Würzburgerin, der kein Arzt bis dahin helfen konnte, fand sich damit ab: „Schicksal – das sind halt die Folgen der Lungenembolie“, dachte sie sich. Die hatte sie vor gut zwei Jahren ereilt. Isolde W. hat die potenziell tödliche Krankheit überlebt – jährlich sterben etwa 40 000 Menschen in Deutschland an einer Lungenembolie, was sie hierzulande nach Herzinfarkt und Schlaganfall zu einer der am häufigsten zum Tode führenden Herz-Kreislauferkrankung macht. Angeblich gehört die Lungenembolie sogar zu den am häufigsten übersehenen und falsch diagnostizierten Todesursachen.

Weil ihre Beschwerden trotz Behandlung nicht besser werden wollten, schickte ihr Kardiologe Isolde W. in die Missionsärztliche Klinik in Würzburg, wo Dr. Matthias Held die Lungenhochdruck-Ambulanz leitet. Dort wurde ein schwerer Lungenhochdruck diagnostiziert, nicht selten eine Folge einer Lungenembolie.

Die entsteht „durch die Verstopfung eines Blutgefäßes in der Lunge meistens mit einem Blutpfropfen, einem Blutgerinnsel, dem sogenannten Thrombus“, erklärt Pneumologe und Kardiologe Held. Die Lungenembolie kann sich akut äußern (durch heftige plötzliche Luftnot und Schmerzen im Brustkorb) oder durch immer wiederkehrende Embolien schleichend zu zunehmender Luftnot führen. Computertomografie und Lungenszintigraphie (ein nuklearmedizinisches Verfahren zur Beurteilung der Durchblutungs- und Belüftungsverhältnisse der Lunge) sind die Mittel der Wahl bei der Diagnostik.

In bis zu 80 Prozent aller Fälle entsteht das die Lungenembolie auslösende Blutgerinnsel in den tiefen Bein- oder Beckenvenen. Über die untere Hohlvene und den rechten Herzvorhof wandert es in die Lungenarterie. Dort bleibt der Thrombus stecken und verschließt das Gefäß. „Je größer der Thrombus“, so Held, „desto größer ist die Lungenembolie und das nicht mehr durchblutete Areal.“

Oft handele es sich auch um mehrere Gerinnsel, die gleichzeitig oder in Abständen Lungengefäße ganz oder teilweise verstopfen. Häufig entstehen Thrombosen, die sich innerhalb weniger Tage entwickeln können, bei vorübergehend oder dauerhaft immobilen Menschen. Bei Bettlägerigen ist das Risiko sowieso groß, aber auch nach einer Operation oder weil man wegen Grippe oder Lungenentzündung ans Bett gefesselt ist, ist es nicht zu unterschätzen. Je weniger Bewegung man hat, desto größer das Risiko. Bei Menschen mit entsprechender erblicher Veranlagung kann jede längere Immobilisierung, besonders der unteren Gliedmaßen, zum Auslöser werden (lange Busfahrten, Langstreckenflüge). Zusätzlich kann das Risiko für Thrombosen und eine Lungenembolie durch Rauchen und die Einnahme von Hormonpräparaten erhöht werden.

Patienten mit einer angeborenen Blutgerinnungsstörung, die – im Gegensatz zu den sogenannten Blutern – dazu neigen, dass ihr Blut schnell verdickt, haben ebenfalls ein erhöhtes Thrombose-Risiko. Als beste Vorsorgemaßnahmen in Risikosituationen haben sich gerinnungshemmende Medikamente (meist Heparin) und Anti-Thrombose-Strümpfe bewährt. Bei Isolde W. hatte sich eine besondere Form des Lungenhochdrucks entwickelt, Fachmann Held spricht von der „chronisch-thrombembolische pulmonalen Hypertonie“ (CTEPH). Man schätzt, dass drei bis vier Prozent der Patienten, die eine Lungenembolie überstanden haben, diese Form von Lungenhochdruck entwickeln.

Das Perfide daran: Als Folge der Embolie war die Lungenarterie innen mit einer ultradünnen Innenhaut ausgekleidet. Held: „Stellen Sie sich vor, Sie spannen einen Luftballon über eine Gießkannenbrause.“ Da geht dann auch nicht mehr viel durch. Wie in der Lunge: Die Innenhaut stört die Durchblutung und macht Luftnot.

Dies ist eine besondere Form des Lungenhochdrucks, fünf Untergruppen mit wiederum zahlreichen Unterformen gibt es, die teils unterschiedlicher Therapien bedürfen – deshalb ist „die genaue Diagnose so wichtig“, sagt Fachmann Held. Wird Lungenhochdruck – salopp gesprochen nichts anderes als ein erhöhter Blutdruck in der Lunge – nicht behandelt, führt er früher oder später zwangsläufig zum Tod, weil das Herz unheilbaren Schaden nimmt.

Bei Lungenhochdruck verengen sich die Lungengefäße, die Gefäßmuskulatur verdickt sich, der Gefäßinnenraum wird kleiner. Mit der Zeit wird immer weniger Sauerstoff über die Lunge aufgenommen, gleichzeitig verringert sich die Pumpleistung des Herzens.

Manchmal sogar heilbar

Lungenhochdruck kann sich auch als Folge anderer Krankheiten entwickeln, etwa bei Linksherzerkrankungen oder bei COPD, der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung, an der Millionen leiden. Und nach einer Lungenembolie. „Luftnot nach einer Lungenembolie muss man nicht schicksalhaft hinnehmen“, erklärt Held. Oft könne man Lungenhochdruck gut behandeln, bei dieser speziellen Form durch eine Operation in vielen Fällen sogar heilen.

Auch Isolde W. sollte operiert werden, aufgrund eines bei ihr aber sehr hohen Risikos und weil die Innenhaut in den Arterien sehr schwer erreichbar erschien, zögerte der Chirurg zunächst. Nachdem eine medikamentöse Behandlung keine Besserung brachte, wurde die OP gewagt: Dem Chirurgen gelang es, die Innenhaut, die die Lungenarterie verstopfte, herauszuschälen.

Heute ist Isolde W. glücklich. Sie war in München in der Oper, und neulich fuhr sie sogar für ein paar Tage nach Österreich in Urlaub – vor der Operation undenkbar.

[@uelle: Mainpost / Brandstetter]
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