Lungenvolumenreduktionschirurgie

Patienten mit hohem Mortalitätsrisiko bei Lungenvolumenreduktionschirurgie

Hintergrund:

Das Ziel dieser, in Amerika durchgeführten randomisierten kontrollierten Studie NETT (national emphysema treatment trial) ist das Überleben und die Leistungskapazität zwei Jahre nach chirurgischer Lungenvolumenreduktion bei Patienten mit schwerem Emphysem zu evaluieren. Dabei wird die chirurgische Therapie mit einer üblichen konservativen Behandlung bestehend aus pulmonaler Rehabilitation und Medikamenten verglichen.
Ein weiteres Ziel der Studie ist, Kriterien für die Definition von Subgruppen, die von diesem Eingriff mehr oder weniger profitieren zu evaluieren. In der vorliegenden Publikation wird eine Population von Patienten beschrieben, denen die Operation mehr schadet als nützt.

Frage:

Bei welchen Patienten mit einem Lungenemphysem ist der operative Eingriff mit einem erhöhten Sterberisiko verbunden. Als Grenzwert wurde eine 30 Tage Mortalität von 8% festgelegt

Studiendesign:

randomisiert kontrollierte Studie

Studienort:

17 amerikanische Kliniken

Intervention:
  • operative versus konservative TherapieOutcome:
  • Interimanalyse zur Erfassung der Faktoren, die mit einer erhöhten postoperativen Mortalität (30 Tage) assoziiert sindResultat:
  • Bis Juni 2001 wurden 1033 Patient in die Studie eingeschlossen
  • Als Risikofaktoren für eine überhöhte Mortalität wurden gefunden:
    • FEV1 < 20 % des Sollwertes und
    • Ein homogenes Emphysem im Computertomogramm und/oder
    • Eine Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid < 20% Sollwertes
  • Kein Patient mit diesem Risikoprofil verstarb in der medikamentös behandelten Gruppe innert der ersten dreissig Tage
  • Die 30 Tage Mortalität in der chirurgischen Gruppe betrug 16%
  • Wenn alle drei Risikofaktoren vorhanden waren betrug die Mortalität 25%
  • Patienten, welche die postoperative Phase von 30 Tagen überlebten, hatten keine klinisch relevanten Vorteile gegenüber Patienten mit einer medikamentösen TherapieKommentar:
  • Patienten mit einem schweren Emphysem und einem FEV 1 < 20%, einem homogenem Typ von Emphysem im CT oder einer extrem tiefen Diffusionskapazität (CO-Diffusion < 20%) haben ein postoperatives Mortalitätsrisiko (30 Tage) von mehr als 8%.
  • Patienten, welche diese Kriterien aufweisen werden nicht mehr in die noch laufende Studie eingeschlossen
Kommentar von Prof. E. Russi, Leiter der Abteilung Pneumologie, Universitätsspital Zürich

Mehrere kürzlich erschienene prospektive und randomisierte Studien belegen, dass eine, nach sorgfältigen Kriterien ausgewählte Gruppe von Patienten, die an den Folgen eines fortgeschrittenen Lungenemphysems leiden von einer chirurgischen Volumenreduktion profitieren können. Sie verspüren im Vergleich zu optimal konservativ behandelten Patienten weniger Anstrengungsdyspnoe, was mit einer deutlichen Besserung ihrer Lebensqualität einhergeht. Die funktionelle Grundlage dazu besteht in einer Reduktion der Lungenüberblähung (einer Abnahme des Residualvolumens) und einer Zunahme der Erstsekundenkapazität (FEV1).
Auf den ersten Blick mag es paradox erscheinen, dass Patienten, bei denen ein fortgeschrittenes Emphysem vorliegt ,funktionell von der Resektion von emphysematös verändertem Lungengewebe profitieren können. Dies beruht auf der Tatsache, dass das Hauptsymptom des fortgeschrittenen Lungenemphysems – Atemnot bei bereits geringer körperlicher Arbeit – durch eine ungünstige Lungenmechanik, nämlich eine für das Emphysem typische Überblähung, welche unter Belastung noch zunimmt, zustande kommt. Dem Pionier dieses Eingriffs, J. Cooper, einem erfahrenen Thoraxchirurgen und Schrittmacher der Transplantationschirurgen war aber schon bei der Einführung dieser Operation klar, dass Patienten mit extrem schlechter Lungenfunktion, insbesondere solche mit einer stark reduzierten Gasaustausch -Oberfläche, welche durch Messung der Diffusionskapazität abgeschätzt werden kann, wegen zu stark erhöhtem perioperativen Risiko und zu kleiner Aussicht auf funktionellen Benefit, nicht operiert werden sollten. Andere, u.a. auch unsere Gruppe, die mit einem Krankengut von rund 150 operierten Patienten seit über fünf Jahren über eine ausgedehnte Erfahrung verfügt, haben sich dieser Ansicht aus pathophysiologischen und klinischen Überlegungen schon zu Beginn angeschlossen und Patienten mit einem FEV1 < 20 % und/oder eine CO -Diffusionskapazität < 20 % Soll nicht operiert. Cooper et al. zieht Patienten mit einem heterogenen Lungenemphysem vor.
Wir selbst konnten zeigen, dass auch Patienten mit einem homogenen Emphysemtyp von diesem Eingriff, unter Berücksichtigung der oben erwähnten Ausschlusskriterien, profitieren können. Zudem sind die funktionellen Resultate (Lungenfunktion, Gehtest, Lebensqualität) drei Monate nach Operation in unserem und dem Krankengut anderer erfahrener Gruppen, in der Regel Lungentransplantationszentren, deutlich besser als jene, die in dieser Arbeit vorgestellt werden.
Die perioperative Letalität in unserem Krankengut liegt deutlich unter 5 %. Wir haben innert dreissig Tagen nach dem Eingriff keinen einzigen Patienten an einer respiratorischen Insuffizienz, der häufigsten Todesursache in der diskutierten Arbeit, verloren. Unsere zwei perioperativen Todesfälle betrafen Patienten mit einer zusätzlichen bekannten koronaren Herzkrankheit.

Fazit: die vorliegende Arbeit ist methodisch einwandfrei durchgeführt. Es war aus ethischen Gründen zwingend, die bei der Interimsanalyse der grossen laufenden prospektiven Studien auffallend häufigen perioperativen Todesfälle zu untersuchen und rasch zu publizieren. Es überrascht nicht, dass die perioperative Letalität bei Patienten, die nur noch wenig funktionelles Lungengewebe aufweisen d.h. neben einer massiven Bronchialobstruktion (FEV1) fast keine Gasaustausch -Oberfläche (CO-Diffusion) mehr haben, inakzeptabel hoch ist. Leider ist zu befürchten, dass diese, in einer kleinen, funktionell extrem schlechten Subgruppe gefundenen ausgesprochen schlechten Resultate dieses operative Verfahren, welches für eine gut selektionierte Gruppe von Patienten mit Lungenemphysem die einzige verbleibende palliative Option darstellt, zu Unrecht in Verruf gerät. Dies wird auch der NETT Trial, der unter rigiden wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt wird, in einigen Jahren bestätigen können.

Literatur:

Patients at high risk of death after lung-volume-reduction surgery., National Emphysema Treatment Trial Research group, , will be published in the October 11 issue of the N Engl J Med.
Verfasser: E. Russi, J. Steurer, August 2001

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