Schlafapnoe und pulmonale Hypertension

Schlafapnoe

Nächtliche Apnoe kann über einen längeren Zeitraum zu einer Erkrankung vorher nicht beeinträchtigter Lungen führen, und zwar zu Lungenhochdruck mit der Folge eines Cor pulmonale. Vice versa kann ein Cor pulmonale verschiedenster Genese schwere Atemregulationsstörungen verursachen und somit die pulmonale Hypertension noch weiter aggravieren.

Worüber kann das Schlaflabor Auskunft geben – und wann sollte die Zuweisung erfolgen?
B. Fugger:
Die Polysomnographie bietet die Möglichkeit, Schlafstadien zu messen und Störungen des Schlafes samt deren Ursachen darzustellen. Eingeschlossen sind beispielsweise pathologische Atmung, vollkommene und unvollkommene Atemstillstände, nächtliche Beinbewegungen, Herzfrequenzvariationen und Zunahme des Widerstandes der oberen Atemwege. Die Störungen werden mit dem jeweiligen Schlafstadium in Korrelation gesetzt. So lassen sich weitere Erkenntnisse gewinnen. Eine Indikation für die polysomnographische Untersuchung ist gegeben, wenn der dringende Verdacht auf eine nächtliche Atemregulationsstörung besteht. Der Patient gibt entweder an, am Morgen unausgeschlafen zu sein und eine Einschlafneigung tagsüber zu haben, oder die Angehörigen stellen Atemstillstände während des Schlafes fest. Für die niedergelassenen Kollegen wäre die Indikation für eine nächtliche Polysomnographie gegeben, wenn man im Rahmen einer Blutgasuntersuchung ein erhöhtes pCO2, eine Hypoxie oder evtl. im Rahmen eines Screenings eine erniedrigte Sauerstoffsättigung während der Nacht erkennt.

Kann das Schlaflabor Informationen über eine drohende oder bestehende pulmonale Hypertension bringen?
B. Fugger:
Das Schlaflabor allein ist zu wenig. Es gibt allerdings eine Reihe erhärtender Hinweise, wie etwa die Cheyne-Stokes-Atmung. Diese kommt häufig bei schweren Formen einer pulmonalen Hypertension vor. Aber auch abseits der Cheyne-Stokes-Atmung können nächtliche Atemstörungen, bei denen der SaO2-Wert unter 80% fällt, zu einer Steigerung des Druckes im kleinen Kreislauf führen, da die Sauerstoffentsättigung, falls sie lange genug bestehen bleibt, eine hypoxische Vasokonstriktion bedingt.
Wie ernst ist eine durch nächtliche Atemregulationsstörung oder gar eine Schlafapnoe verursachte

Hypoxie zu nehmen?
B. Fugger:
In der Beurteilung der Gefährlichkeit steht nicht das einzelne hypoxische Geschehen im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Gesamtheit der nächtlichen hypoxischen Ereignisse. Der entscheidende Faktor ist die Summe der Zeit, bei der die Sauerstoffsättigung unter einer bestimmten Grenze bleibt. Wir wissen, dass Sauerstoffarmut eine Vasokonstriktion in der Lungenstrombahn bewirkt. Diese Vasokonstriktion kann aber auch durch die auftretende Erhöhung des pCO2, also der respiratorischen Azidose, verstärkt werden. Diese beiden Pathomechanismen beschleunigen gemeinsam die Entwicklung einer pulmonalen Hypertension. Eine länger bestehende oder sich verschlechternde pulmonale Hypertonie führt zu einer Verminderung der Auswurfleistung (Cardiac Output) des Herzens – die Folge davon ist, dass es zum verminderten Volumsangebot des linken Herzens kommt. Daraus entsteht, genauso wie bei der Linksherzinsuffizienz, ein erniedrigtes Auswurfvolumen mit einer dementsprechend verlängerten Kreislaufzeit und eine erhöhte Sensibilität der peripheren und zentralen Rezeptoren. Dieser Mechanismus bewirkt die Cheyne- Stokes-Atmung bei Cor pulmonale.

Wie lassen sich Hypoxämien infolge eines obstruktiven Schlafapnoesyndroms (OSAS) feststellen?
B. Fugger:
In der nächtlichen Polysomnographie sehen wir nur die Sauerstoffsättigung über die Sonde. Falls dabei Hypoxien auftreten, wird am nächsten Morgen unmittelbar nach dem Aufwachen eine Bestimmung der Blutgase durchgeführt. Bei respiratorischer Azidose kommt es zu weiteren, ergänzenden Untersuchungen. Die pathophysiologischen Mechanismen, die zu einer sekundären pulmonalen Hypertonie führen, sind folgende: Die Hypoxie bedingt eine Vasokonstriktion des präkapillären Strombettes. Im weiteren Verlauf kommt es zur Obliteration von Lungengefässen, die Folge davon ist eine Volumenund Drucküberlastung des noch nicht befallenen Gefässgebietes. Die Summe dieser Mechanismen führt zu einer Down-Regulation der Vasodilatatoren und einem Überwiegen der Vasokonstriktoren. Erkrankungen, die zu einer hypoxischen Vasokonstriktion führen, sind: die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, die obstruktive Schlafapnoe, die neuromuskulären Erkrankungen durch Schwäche der Atemmuskulatur, Thoraxdeformitäten, welche zu chronischer Überlastung der Atemmuskulatur führen und letztendlich auch die Höhenkrankheiten. Die standardisierten Untersuchungen zur Feststellung einer erhöhten Druckbelastung im kleinen Kreislauf sind die 2-D-Echokardiographie und das EKG, weiters eine Lungenfunktionsuntersuchung mit Blutgasen, nach Möglichkeit auch eine Belastungsuntersuchung (Spiroergometrie oder Ergometrie mit Blutgasen) und die Polysomnographie. Zu der Fragestellung, ob nächtliche Atemregulationsstörungen oder besser gesagt eine Schlafapnoe per se eine pulmonale Hypertension bewirken können, wurden in den letzten 15 Jahren einige wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt. Ich erwähne hier die Arbeit von Bradley et al. aus dem Jahre 85, Saikov et al. im Jahre 94, Weitzenblum 96, Saikov 99 und Bady et al. im Thorax 2000 sowie Niijma et al. im Jahre 2001. Der zusammenfassende Tenor dieser wissenschaftlichen Untersuchungen lautete, dass nächtliche Atemregulationsstörungen allein selten eine pulmonale Hypertension bewirken können. Es muss zusätzlich eine Erkrankung der Lunge vorhanden sein, die auch zur Hypoxie tagsüber führt. Die einzige Arbeit von Saikov aus dem Jahre 99 konnte nachweisen, dass auch OSAS allein ohne zusätzliche COPD zu einer pulmonalen Hypertonie führen kann. Entscheidend ist jedoch, dass bei einem bestehenden Cor pulmonale oder pulmonaler Hypertonie anderer Genese eine nächtliche Hypoxie die pulmonale Hypertonie verstärkt. Ebenso kann auch eine Hyperkapnie mit respiratorischer Azidose eine Vasokonstriktion in der Lungenstrombahn negativ beeinflussen.

Welches Therapieschema können Sie Patienten mit bereits bestehender pulmonalen Hypertension infolge OSAS anbieten?
B. Fugger:
Sind nächtliche Atemregulationsstörungen Ursache für die pulmonale Hypertension, ist die erste Massnahme die Beatmung, also die Korrektur der Hypoxie. Ist bereits, z.B. beim Bestehen zusätzlicher Erkrankungen oder besonders langer Dauer der Störung, ein mittelgradiger pulmonaler Hypertonus vorhanden, so haben wir zusätzlich zur Beatmungstherapie während der Nacht auch Vasodilatatoren appliziert. Und das mit sehr gutem Erfolg. Patienten mit einem mittleren pulmonalen Druck von 40 mmHg haben sich bei nächtlicher Beatmung und vasodilatatorischer Pharmakotherapie tagsüber soweit gebessert, dass in Ruhe ein normaler pulmonaler Druck zu finden war. In Belastung allerdings herrschen wiederum andere Verhältnisse. Bei einer Cheyne-Stokes-Atmung infolge eines Cor pulmonale wird zunächst eine nasale CPAP-Therapie mit eher niedrigen Druckwerten bis max. 10 mbar verwendet. Sollte diese nicht effektiv sein (da CPAP zentrale Apnoen nicht beeinflussen kann), wird als nächster Schritt der Versuch mit einer BIPAP-Beatmung oder als eine neuere Option ein Autoset CS (eine adaptive Servoventilation) eingesetzt. Prostazykline können entweder intravenös, inhalativ oder subkutan gegeben werden und wirken am Endothel der Lungenstrombahn sowie an der glatten Muskelzelle des Vasodilatators. Es wird mit einer niedrigen Dosierung begonnen, da Nebenwirkungen sehr häufig sind (Kopfschmerz, Flushsymptomatik, Übelkeit, Tachykardie bis zu Blutdruckabfällen). Nach dementsprechender Gewöhnung wird die Dosis gesteigert. Diese Einstellung erfolgt unter Kontrolle der pulmonalarteriellen Drücke im Rahmen einer Austestung mittels Rechtsherzkatheter. Zu den adjuvanten Therapieformen gehört die Sauerstoffgabe und die Sauerstoffsättigung über 90%, vor allem während der Nacht und unter Belastung, die Beatmung, wie bereits ausführlich ausgeführt, bei dementsprechenden Atemregulationsstörungen und die Antikoagulation mit Sintrom oder Marcoumar.

Wann ist für Sie der Zeitpunkt erreicht, Patienten mit pulmonaler Hypertension zu behandeln und womit?
B. Fugger:
Eine pulmonale Hypertonie mit einem Mitteldruck über 25 mmHg bedarf einer Behandlung. Liegt die Ätiologie dieser Druckerhöhung in einem Sauerstoffmangel, muss dieser ausgeglichen werden. Gibt es andere Ursachen, wie etwa eine primäre pulmonale Hypertension, ist die Medikation mit Vasodilatatoren sinnvoll. Liegt zusätzlich eine nächtliche Atemstörung vor, wird auch hier beatmet. Als medikamentöse Vasodilatatoren auf dem Gebiet der pulmonalen Hypertonie haben sich Prostanoide etabliert – sie sind für mich State-ofthe- Art. Die Palette reicht von Prostazyklin bis Iloprost. Da bei der pulmonalen Hypertonie der Gefässumbau im Sinne eines Remodellings sehr frühzeitig beginnt, könnte die Gabe von Endothelin- Antagonisten sinnvoll sein. Ihre Wirkungsweise und genaue Dosierung wird jetzt in Form von multizentrischen Studien evaluiert. Ein ebenfalls sehr potenter Vasodilatator ist das Sildenafil, Phosphodiesterase- Hemmer Klasse 5. Diese Substanz wurde in Fallberichten evaluiert und die Wirksamkeit konnte nachgewiesen werden. Es gibt bereits Arbeiten, die die Wirkungsverlängerung von Prostanoiden unter Sildenafil überprüfen.

Porträt:

Schlaflabor Villach Das Schlaflabor in Villach besteht seit November 1997 an der medizinischen Abteilung im LKH Villach. Es wurde kontinuierlich erweitert und verfügt seit November 2000 über vier polysomnographische und zwei kardiorespiratorische Messplätze. Ablauf bei einer diagnostischen Polysomnographie Der Patient wird um 17 Uhr zur diagnostischen Polysomnographie im Schlaflabor aufgenommen. An Voruntersuchungen sind ein HNOBefund, Blutbild, TSH und Leberwerte mitzubringen. Nach dem Ausfüllen einer Reihe von Fragebögen (Abendfragebogen zur Befindlichkeit, Fragebogen zur Schlafapnoe, Epworth Sleepiness Scale zur Objektivierung der Tagesmüdigkeit) und dem Abendessen erfolgt das Anlegen der Sensorik: EEG (2 Ableitungen), EOG (2 Ableitungen), EMG am Kinn, Atemflussmessung mittels Thermistor und nasaler Prongs, Atemanstrengung thorakal und abdominal, Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz, EKG, EMG des Musc. tib. ant. beidseits, Schnarchen (Raummikrophon und nasale Prongs), Aufzeichnung der Körperposition, Videoaufzeichnung, Ösophagusdruckmessung bei gezielten Fragestellungen. Am Vormittag nach der Polysomnographie erfolgt in einem zeitlich sehr aufwendigen Verfahren die Auswertung und Diagnosestellung.
Spezialisierungen des Schlaflabors Villach
Das Schlaflabor Villach ist vor allem auf die Diagnose und Therapie schlafbezogener Atemstörungen spezialisiert: die obstruktive Schlafapnoe, die zentrale Schlafapnoe und hier wiederum als Sonderform die Cheyne-Stokes- Atmung bei Herzinsuffizienz, die gemischte Schlafapnoe, das Upper Airway Resistance Syndrom (UARS), Atemmuskelpumpversagen im Endstadium einer COPD und bei neuromuskulären Erkrankungen wie Kyphoskoliose und Muskeldystrophien und das alveoläre Hypoventilationssyndrom bei Adipositas permagna. Natürlich werden im Schlaflabor Villach nicht nur nächtliche Atemstörungen diagnostiziert und behandelt. So bedarf z.B. die Narkolepsie neben ihrer typischen Symptome und einer Polysomnographie vor allem des daran anschliessenden, tagsüber durchgeführten Multiple Sleep Latency Tests (MSLT).
Insgesamt wurden im Schlaflabor Villach bis 31. Dezember 2001 3.211 Polysomnographien durchgeführt: Davon waren ca. 700 nächtliche Beatmungseinstellungen – vom einfachen nCPAP bei obstruktiver Schlafapnoe bis zu kontrollierten Beatmungseinstellungen bei Atemmuskelpumpversagen.

Copyright:
Autorin: Dr. Angelika Kugi
Interviews mit OA Dr. Boris Fugger, Leiter des Schlaflabors im LKH Villach.

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