Stickstoffmonoxid zur Behandlung von Lungenhochdruck bei Frühgeborenen

Heilen mit Stickstoffmonoxid

Heilendes Gift: Das giftige Gas Stickstoffmonoxid wird bereits jetzt therapeutisch genutzt.

Weitere Einsatzgebiete werden erforscht
Für einen Schadstoff, der an heissen Tagen bei starker Luftverschmutzung entsteht, hat Stickstoffmonoxid – kurz NO – eine beachtliche Karriere gemacht. Das giftige Gas, das in grösseren Mengen die Atemwege reizt und lebenswichtige Enzyme blockiert, kann in kleinsten Dosen und am richtigen Ort sehr nützlich sein.

Körper produziert Stickstoffmonoxid sogar selbst

„Das reaktionsfreudige Gas beeinflusst bis zu 30 Prozent unserer Gene und damit unzählige Zellfunktionen“, erklärt Professor Christoph Suschek, Forschungsleiter an der Klinik für Unfall- und Handchirurgie der Universität Düsseldorf. Der Körper produziert es sogar selbst. Wegen seiner kurzen Lebensdauer entsteht es direkt am Wirkungsort. Die Zellen der unspezifischen Immunabwehr etwa bilden NO aus der Aminosäure Arginin und nutzen es als Waffe gegen Bakterien und Pilze. „Gleichzeitig wirkt es entzündungshemmend, weil die aktivierten Immunzellen an ihrem eigenen NO zugrunde gehen“, erklärt Suschek. Überschiessende Entzündungsreaktionen werden so gedämpft.

Kleines Molekül, grosse Wirkung

Auch die Endothelzellen im Innern der Blutgefässe bilden NO, wenn sie zum Beispiel durch körpereigene Botenstoffe dazu angeregt werden, einen erhöhten Blutdruck zu senken. Dank seiner geringen Grösse wandert NO ungehindert in die Gefässmuskulatur und lässt sie durch die Aktivierung mehrerer Enzyme erschlaffen: Die Gefässe erweitern sich, und der Blutdruck sinkt.
Je nach Organ hat dies unterschiedliche Auswirkungen. Am Herzen etwa erweitert NO die Kranzgefässe, und das führt zu einer besseren Durchblutung. „Dieses Prinzip wird schon lange therapeutisch genutzt“, erklärt Professor Nikolaus Plesnila vom Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung der Universität München. „Herzmedikamente aus der Gruppe der Nitrate entfalten ihre Wirkung durch die Freisetzung von NO.“ Im Penis dagegen fördert NO die Durchblutung der Schwellkörper und damit die Erektion. Diese Entdeckung führte zur Entwicklung des Potenzmittels Sildenafil.

Stickstoffmonoxid zur Beatmung Frühgeborener

Die erschlaffende Wirkung betrifft nicht nur die Gefässe, sondern auch die Bronchien: Seit 2001 ist NO zur Beatmung Frühgeborener mit unreifer Lunge und seit 2011 zur Behandlung von Lungenhochdruck zugelassen. Forscher prophezeien dem kleinen Molekül noch eine grosse Zukunft. So konnte das Team um Plesnila zeigen, dass das Einatmen von NO die Hirndurchblutung nach einem Schlaganfall verbessert: Im Tierversuch war die Hirnfunktion deutlich weniger beeinträchtigt Der Clou: „Inhaliertes NO erweitert die Gefässe nur in mangeldurchblutetem Gewebe, also genau dort, wo es notwendig ist“, betont Plesnila.
Derzeit laufen erste Tests, ob das Gas beim Menschen ähnlich wirkt. „Dann könnte NO bereits in wenigen Jahren im Notarztwagen verabreicht werden“, sagt Plesnila. Der Forscher hofft, dass NO das Zeitfenster, in dem sich Blutgerinnsel medikamentös auflösen lassen, verlängern kann: „Beim Schlaganfall zählt jede Sekunde.“

Möglicher Einsatz auch in der Schmerztherapie

Auch in der Schmerztherapie sehen Forscher mögliche Einsatzgebiete, etwa bei schmerzhaften Muskelverspannungen. Vor einigen Jahren hatte Christoph Suschek entdeckt, dass bei der Bestrahlung der Hautoberfläche mit UV-A-Licht im Hautgewebe vermehrt NO freigesetzt wird. „Dieses kann bis zum Muskel durchdringen und wirkt dort gleich mehrfach“, sagt Suschek.
NO fördere die Durchblutung des Muskels und den Abtransport entzündungsfördernder Botenstoffe. Gleichzeitig kann es die Bildung des schmerzerregenden Botenstoffs Substanz P bremsen und so das Schmerzempfinden verringern. Durch die Gefässerweiterung entsteht zudem ein entspannender Wärmeeffekt.
„Wegen des Hautkrebsrisikos haben wir nach anderen Lichtquellen gesucht und festgestellt, dass blaues LED-Licht die gleichen Effekte hat“, sagt Suschek. Bei einer Studie mit 172 Teilnehmern linderte Blaulicht leichtere Rückenschmerzen. Der Forscher sieht noch weitere Einsatzmöglichkeiten. „Bei Diabetes sind die Beine schlecht durchblutet“, erklärt er. „Mit Blaulicht und NO-Cremes könnte man die Durchblutung verbessern und Amputationen vermeiden.“

[@uelle: Apotheken Umschau]
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