Chronisch thromboembolische pulmonale Hypertension

Nach wie vor unterdiagnostiziert: chronisch thromboembolische pulmonale Hypertension

Anfang Juni 2008 fand in Wien die weltweit erste internationale Fachtagung zum Thema „Chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie“ (CTEPH) statt – eine relativ häufige Komplikation nach einer symptomatischen Pulmonalarterienembolie.

Unbehandelt führt diese Erkrankung unweigerlich zum Tod; die Endarterektomie führt jedoch bei etwa 80% der Patienten zur Heilung. Bei Inoperabilität oder persistierender pulmonal-arterieller Hypertonie (PAH) können die Symptomatik und das Langzeitüberleben möglicherweise durch medikamentöse Therapie verbessert werden. Als Therapieoptionen kommen ersten Studienergebnissen zufolge die für die Behandlung der PAH zugelassenen Medikamente infrage.
Chronisch thromboembolische pulmonale Hypertension (CTEPH) entsteht durch Obstruktion der Lungengefässe mit organisierten Gerinnseln, sie ist eine häufige Lungenhochdrucksform. 11 Die Inzidenz der Erkrankung wird in den USA auf 2.500 neue Fälle pro Jahr geschätzt, 5 die theoretische Prävalenz auf drei Fälle pro hundert Pulmonalembolien (20/Million Einwohner). Prof. Dr. Irene Lang, Klin. Abt. für Kardiologie, AKH Wien: „Obwohl die CTEPH nicht das klassische plasmatische Risikoprofil des venösen Thromboembolismus aufweist, wurde sie als Spätfolge symptomatischer Pulmonalembolien in einer kumulativen Inzidenz von 3,8% innerhalb von 2 Jahren nach einem symptomatischen pulmonalembolischen Ereignis beschrieben“. 15 Trotz dieser Beobachtungen bleibt die Pathogenese der CTEPH ungeklärt. 11 Ansatzpunkte für pathophysiologische Konzepte sind die Beschreibung bakterieller Infektion nicht auflösender Thromben3, abnorme Fibrinogenvariaten14 bzw. abnorme Spaltbarkeit von Fibrinogen durch Plasminogenaktivatoren. 13
„Im Gegensatz zur pulmonal-arteriellen Hypertension (PAH), die sich in Gefässen manifestiert, die <300µm im Querschnitt messen, wird die CTEPH durch die primäre Betroffenheit der grossen Pulmonalgefässe charakterisiert. Als Möglichkeit für eine operative Sanierung besteht die Endarterektomie des pulmonal-okklusiven Materials (PEA)6“, so Lang. Die Abbildung zeigt ein typisches Operationspräparat, das einen „Ausguss“ des betroffenen pulmonalvaskulären Gefässbetts, bestehend aus Endothel, glatten Muskelzellen, Fibroblasten und frischem Thrombus, repräsentiert.
Unbehandelte Patienten entwickeln Rechtsherzversagen und Tod,16 wenn auch langsamer als Patienten mit PAH.10 Innerhalb der vergangenen Jahre hat sich die pulmonale Endarterektomie (PEA) zur Therapie der Wahl mit einer Operationsmortalität zwischen 4 und 10%, einer exzellenten Lebensqualität, Belastbarkeit und häufig Normalisierung der Ruhe-Hämodynamik herausgestellt. 5, 7, 9- Eine begleitende Erkrankung der kleinen Pulmonalgefässe ist bei einem unbekannten Anteil der Patienten ein stark negativer prognostischer Faktor 1, 8 und theoretisch ein Ansatzpunkt für klassische medikamentöse PAH-Therapien.

Assoziierte Faktoren

In Analogie zu den assoziierten Erkrankungen der PAH wurden Zustände beschrieben, die häufiger mit CTEPH assoziiert sind. Sple-nektomie, ventrikulo-atrialer Shunt zur Behandlung von Hydrozephalus, inflammatorische Darmerkrankung und chronische Osteomyelitis erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer CTEPH2 und sind mit einer schlechteren Prognose assoziiert.4 Unpublizierte retrospektive Daten zeigen eine Assoziation von CTEPH mit Malignomerkrankungen und substituierter Hypophyreose.

Diagnostik

Lang: „Schlüssel zur Diagnose sind eine ausführliche Anamnese und eine sorgfältige klinische Krankenuntersuchung. Zur Abklärung sollten die Betroffenen an ein spezialisiertes Zentrum überwiesen werden.“
Beschwerden treten meist episodisch auf und manifestieren sich erst bei einem funktionellen Verlust von über 60% des Pulmonalgefässbettes. Dyspnoe (vor allem belastungsabhängige Atemnot) ist zwar ein häufiges Frühsymptom, aber kein Leitsymptom. Müdigkeit, Thoraxschmerzen, rezidivierende Synkopen unter Belastung und bei Hustenattacken, Hämoptysen und Schwindel sind weitere Symptome.
Der Auskultationsbefund der Lunge ist meistens unauffällig. Gelegentlich hört man eine Trikuspidal- oder Pulmonalinsuffizienz oder pulmonale Strömungsgeräusche. Die Blutgasanalyse zeigt oft schon im Frühstadium eine erhöhte Alveolo-arterielle Sauerstoffpartialdruckdifferenz (AaDO2), später ist der Sauerstoffpartialdruck (pO2) erniedrigt, dagegen der Kohlendioxidpartialdruck (pCO2) erhöht. Das EKG hat in der Diagnostik der PH eine Spezifität und Sensitivität von 70 bzw. 55%, unter Einbeziehung der Herzachse und des „right ventricular strain“ allerdings könnte dem EKG prospektiv eine grössere Bedeutung zukommen. Typisch sind abrupte Kaliberschwankungen der Pulmonalgefässe mit dilatierten zentralen Pulmonalarterien und Verlust peripherer Blutgefässe.
Mindestens ein grösserer segmentaler Defekt im Ventilations/Perfusions-Scan der Lunge (V/Q-Scan) ist diagnostisch. Auf die Ventilationsszintigraphie kann man verzichten.
„Die TTE ist sehr wichtig für die Diagnose der PH und stellt auch eine gute Screening-Methode dar. Die Spiral-CT-Untersuchung mit intravenöser Kontrastmittelgabe ist eine aussagekräftige Diagnosemöglichkeit. Neben der bildhaften Auflösung kleinster pulmonalarterieller Thromben ist die Beurteilung des Lungenparenchyms relevant“, meint Lang.
Durch Messung des Lungengefässwiderstandes, des Herzindex und des rechten Vorhofmitteldrucks können Aussagen über den Schweregrad und damit die Operabilität und Prognose getroffen werden.

Pulmonalisangiographie

Für Patienten mit CTEPH stellt die chirurgische Thromboendarterektomie eine Heilungsmöglichkeit dar. Um die Operation zu planen, ist eine Pulmonalarterienangiographie unumgänglich. Typische angiographische Befunde sind Gefässtaschen, Bänder, Erweiterungen, Kalibersprünge und Verschlüsse.

Operabilität

Die Entscheidung darüber, ob ein Patient „operabel“, also einer erfolgreichen PEA zuführbar ist, muss an einem Expertenzentrum im Konsil mit wenigstens einem PEA-erfahrenen Chirurgen erfolgen. Folgende Kriterien werden berücksichtigt, aber zentrumspezifisch gewichtet:
1) symptomatische pulmonale Hypertension mit einem invasiv gemessenen pulmonalarteriellen Mitteldruck >25mmHg
2) Diagnosesicherung nach wenigstens 3-monatiger effektiver Antikoagulation
3) Nachweis chirurgisch erreichbarer Thromben durch Bildgebung
4) einseitiger kompletter Pulmonalarterienverschluss
5) günstige Relation zwischen Lungengefässwiderstand (PVR, wunschgemäss 50% erwarten lässt
6) permissives präoperatives Risikoprofil
a) PVRb) keine schweren internistischen Begleiterkrankungen
c) ausreichend funktionelles Lungenparenchym vorhanden
d) hohe Upstream-Resistance8 (experimentell)
e) keine assoziierten Erkrankungen4
f) Abfall des mPAP um >10% des Ausgangswerts nach Gabe von inhalativem NO bei der diagnostischen Rechtsherzkatheteruntersuchung17
g) günstiges Biomarkerprofil (FABP<3ng)12
h) Patientenwunsch

Medikamentöse Therapieoptionen

Lang: „Nach der Erfahrung in unserem und in anderen PEA-Zentren können etwa 50% der Patienten wegen der distalen Lokalisation der pulmonalen Thromben oder wegen schwerer Komorbiditäten nicht operiert werden. Ausserdem wird die PAH bei etwa 20% der Patienten auch nach der PEA nicht beseitigt. Die Therapieoptionen für diese Patienten umfassen Prostanoide, unselektive und ETA-selektive Endothelinrezeptor-antagonisten und Phosphodiesterase-V-Inhibitoren.“

Literatur:

1 Archibald CJ, Auger WR, Fedullo PF, et al: Long-term outcome after pulmonary thromboendarterectomy. Am J Respir Crit Care Med 1999; 160: 523-8
2 Bonderman D, Jakowitsch J, Adlbrecht C, et al: Medical conditions increasing the risk of chronic thromboembolic pulmonary hypertension. Thromb Haemost 2005; 93: 512-6
3 Bonderman D, Jakowitsch J, Redwan B et al: Role for Staphylococci in Misguided Thrombus Resolution of Chronic Thromboembolic Pulmonary Hypertension. Arterioscler Thromb Vasc Biol 2008
4 Bonderman D, Skoro-Sajer N, Jakowitsch J et al: Predictors of outcome in chronic thromboembolic pulmonary hypertension. Circulation 2007; 115: 2153-8
5 Fedullo PF, Auger WR, Kerr KM, Rubin LJ: Chronic thromboembolic pulmonary hypertension. N Engl J Med 2001; 345: 1465-72
6 Jamieson SW: Pulmonary thromboendarterectomy. Heart 1998; 79: 118-20
7 Jamieson SW, Kapelanski DP, Sakakibara N et al: Pulmonary endarterectomy: experience and lessons learned in 1,500 cases. Ann Thorac Surg 2003; 76: 1457-62; discussion 1462-4
8 Kim NH, Fesler P, Channick RN, et al: Preoperative partitioning of pulmonary vascular resistance correlates with early outcome after thromboendarterectomy for chronic thromboembolic pulmonary hypertension. Circulation 2004;109:18-22.
9 Klepetko W, Mayer E, Sandoval J et al: Interven-tional and surgical modalities of treatment for pulmonary arterial hypertension. J Am Coll Cardiol 2004; 43: 73S-80S
10 Kunieda T, Nakanishi N, Satoh T, Kyotani S, Okano Y, Nagaya N: Prognoses of primary pulmonary hypertension and chronic majorvessel thromboembolic pulmonary hypertension determined from cumulative survival curves. Intern Med 1999; 38: 543-6
11 Lang IM: Chronic thromboembolic pulmonary hypertension-not so rare after all. N Engl J Med 2004; 350: 2236-8
12 Lankeit M, Dellas C, Panzenbock A, et al: Heart-Type Fatty Acid-Binding Protein for Risk Assessment of Chronic Thromboembolic Pulmonary Hypertension. Eur Respir J 2008
13 Morris TA, Marsh JJ, Chiles PG, Auger WR, Fedullo PF, Woods VL Jr.: Fibrin derived from patients with chronic thromboembolic pulmonary hypertension is resistant to lysis. Am J Respir Crit Care Med 2006; 173: 1270-5
14 Morris TA, Marsh JJ, Chiles PG et al: Abnormally sialylated fibrinogen gamma-chains in a patient with chronic thromboembolic pulmonary hypertension. Thromb Res 2007;119:257-9.
15 Pengo V, Lensing AW, Prins MH, et al: Incidence of chronic thromboembolic pulmonary hypertension after pulmonary embolism. N Engl J Med 2004; 350: 2257-64
16 Riedel M, Stanek V, Widimsky J, Prerovsky I: Longterm follow-up of patients with pulmonary thromboembolism. Late prognosis and evolution of hemodynamic and respiratory data. Chest 1982; 81: 151-8
17 Skoro-Sajer N, Hack N, Sadushi R et al: Pulmonary vascular reactivity and prognosis in patients with chronic thromboembolic pulmonary hypertension. Circulation 2007; 116: 503-II-504-II

Autor:
Dr. Hannelore Nöbauer
Quelle des Artikels Nach wie vor unterdiagnostiziert: chronisch thromboembolische pulmonale Hypertension:
Pressekonferenz „CTEPH 2008 – Chronic ThromboEmbolic Pulmonary Hypertension“, 6. Juni 2008, Wien

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